Miese Arbeit, wenig Geld
Wer geht bei einem Grundeinkommen noch arbeiten? Karl Reitter über
die virulente Debatte.
Die aktuelle Forderung von SPÖ und ÖVP nach etwa 800 Euro Grundsicherung
hat mit dem Grundeinkommen nichts zu tun. Das Grundeinkommen ist bedingungslos
an alle in existenzsichernder Höhe auszuzahlen, unabhängig von Geschlecht,
Staatsbürgerschaft und - vor allem - von der Bereitschaft eine Lohnarbeit
aufzunehmen. Die Grundsicherung der SPÖ ist jedoch an die Bereitschaft
geknüpft jede Arbeit, sei sie noch so schlecht bezahlt und miese, zu akzeptieren.
Die öffentlich geführte Debatte um das Thema Grundsicherung ist ein
wahres Lehrstück der politischen Auseinandersetzung. Obwohl der SPÖ
Vorschlag den Zwang zur Lohnarbeit beinhaltet, geifert die ÖVP gegen ein
Einkommen ohne Lohnarbeit. Der ÖAAB Niederösterreich investiert sein
Geld sogar in eine Inseratenkampagne mit folgenden markigen Sprüchen: "800
Euro Grundsicherung im Monat? Gut gemeint. Aber doch nicht ohne Arbeit! 800
Euro Grundsicherung jeden Monat, und das netto? Wozu geht unsereins dann arbeiten?"
Dazu kommt der Standardsatz: "Den Armen müssen wir helfen. Den
Faulen nicht."
Woher diese Angst? Warum diese Demagogie? Sehen wir uns diese Sprüche näher
an: Arbeit wird einmal mit Erwerbsarbeit gleichgesetzt. Die zahlreichen Tätigkeiten,
die unbezahlt und unentlohnt tagtäglich verrichtet werden und ohne die
unsere Gesellschaft rasch zusammenbrechen würde, diese Arbeit wird erneut
verleugnet. Weiters wird der Neidkomplex mobilisiert:
Wenn ich für eine miese Arbeit wenig Geld bekomme, warum soll es anderen
dann besser gehen? Und drittens wird die Arbeitspflicht auf jene eingeschränkt,
die so und so zur Lohnarbeit gezwungen sind. Mit "den Faulen" sind
wohl kaum
die BezieherInnen eines arbeitslosen Einkommens aus Geld-, Aktien- oder Grundbesitz
gemeint.
Aber geht es wirklich um die Sorge, bei einem Grundeinkommen würden wir
alle keinen Finger mehr rühren? Selbstverständlich nicht. Menschen
sind aktive, tätige Wesen. Zum Nichtstun verurteilt zu sein, halten wir
nach kurzer Zeit schwer aus. Es geht um die von Arbeitsmarkt und Profitlogik
diktierten Bedingungen der Arbeit. Wer diese ablehnt soll als faul und parasitär
abgestempelt werden.
Aus diesem Zwang darf es kein Entkommen geben. Es ist wirklich lehrreich: obwohl
die Grundsicherung á lá SPÖ am Erwerbsarbeitszwang festhält,
genügt offenbar allein der Schatten der Idee der Selbstbestimmung um die
Repräsentanten des Kapitals in Aufruhr zu versetzen. Selbst die vage Möglichkeit,
die Grundsicherung könnte Lücken eröffnen, die den Lohnarbeitszwang
relativieren, ist offenbar eine Inseratenkampagne wert.
Die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens wird Arbeit vielfältig
umschichten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Grundeinkommen eine Reihe
von gegenläufigen und sich kompensierenden Prozessen auslösen: ganz
miese und üble Arbeiten werden wohl besser bezahlt werden müssen,
intensives Mobbing wird zweifellos massiv erschwert, einige werden aus der Lohnarbeit
aussteigen, dagegen werden interessante und befriedigende Arbeiten auch bei
schwacher Entlohnung gerne angenommen. Weiters werden ökonomische Projekte,
die derzeit über den Markt nicht (oder nur schwer) finanzierbar sind, aufblühen
und nicht an Geld gebundene ökonomische Aktivitäten zunehmen.
Aber darum geht es bei der Frage "Wer wird dann noch arbeiten gehen"
gar nicht. Denn sie lautet in Wirklichkeit: "wer wird dann noch breit sein,
sich dem Zwang zur Lohnarbeit mit allen Konsequenzen bedingungslos zu unterwerfen."
Und da hoffen wir: Niemand.
Karl Reitter
Café KPÖ, Nummer 14, Dezember 2006
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