KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Wahlrecht - Demokratie - Brief an Abgeordnete


Sehr geehrte Herr Abgeordneter Cap!

Laut Nationalratswahlordnung 1992 benötigen gültige Wahlvorschläge von Parteien, welche für die Nationalratswahl kandidieren, entweder die Unterschrift von drei Nationalratsabgeordneten oder 2.600 amtlich beglaubigte Unterstützungserklärungen. Diese Unterstützungserklärungen sind länderweise kontingentiert aufzubringen: Niederösterreich und Wien je 500, Oberösterreich und Steiermark je 400, Kärnten, Salzburg und Tirol je 200, Burgenland und Vorarlberg je 100.

Erschwert wird diese Hürde dadurch, dass diese Unterstützungserklärungen in der kurzen Frist zwischen dem 61. Tag vor dem Wahltag (Stichtag) und dem 37. Tag vor dem Wahltag (Einreichungsschluss für die Regional- und Landeswahlvorschläge), also in nur 24 Tagen aufgebracht werden müssen. Bedingt durch Wochenenden und Feiertage reduziert sich diese Zeitspanne noch weiter. Außerdem müssen die UnterstützerInnen persönlich am Gemeindeamt oder Magistrat erscheinen.

Praktisch bedeutet dies, dass ein Abgeordneter soviel „wert“ ist wie 833 „gewöhnliche“ BürgerInnen“. Verstärkt wird dies noch dadurch, dass Abgeordnete für beliebig viele Wahlvorschläge unterschiedlicher Parteien unterschreiben dürfen, einfache Bürger hingegen laut Nationalratswahlordnung ausdrücklich nur für eine einzige kandidierende Partei.

Diese Regelung stellt eine eklatante Ungleichbehandlung dar, weil alle nicht im Parlament vertretenen Parteien wesentlich schlechter gestellt werden als solche die im Nationalrat vertreten sind.

Wir ersuchen Sie daher um Mitteilung ihrer Haltung zu diesem undemokratischen Aspekt des Wahlrechts. Finden Sie es gerecht und demokratiepolitisch vertretbar, dass drei Abgeordnete 2.600 BürgerInnen gleichgesetzt werden? Finden Sie es vertretbar, dass Abgeordnete für beliebig viele Wahlvorschläge unterschreiben dürfen, BürgerInnen hingegen ausdrücklich nur für eine Partei? Sind Sie bereit sich für eine Reform dieser Aspekte des Wahlrechts im Sinne von Chancengleichheit einzusetzen? Sind Sie schon bei dieser Wahl bereit, mit Ihrer Unterschrift unsere Kandidatur zu ermöglichen?

Mit freundlichen Grüßen!
Mag. Melina Klaus, Bundessprecherin
Dr. Mirko Messner, Bundessprecher

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Sie haben offenkundig namens der KPÖ an alle Abgeordneten der SPÖ ein Mail betreffend das Erfordernis von Unterstützungserklärungen für die Teilnahme an der Nationalratswahl gerichtet. Namens der gesamten Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion kann ich Ihnen dazu Folgendes mitteilen: Angesichts des großen Aufwandes einer Nationalratswahl halte ich es grundsätzlich für gerechtfertigt, Scherzkandidaturen zu vermeiden. Ein dafür international übliches Mittel ist das Erfordernis von Unterstützungserklärungen, die vom Wahlberechtigten abgegeben werden. Dadurch wird die Ernsthaftigkeit einer Kandidatur von einer Mindestanzahl von Personen unterstützt, wobei die als Mindesterfordernis mit einer Anzahl von - je nach Wahlkreis - 100 bis 500 Personen auch im internationalen Vergleich äußerst gering ist. Daher erscheint mir auch der Zeitraum von ca. 3 Wochen währenddessen die Unterstützungserklärungen gesammelt werden müssen als ausreichend. Eine Partei oder sonstige Wahlliste, die so wenig Organisation hat, dass sie dieses Erfordernis nicht erfüllen kann, hat wohl keinerlei Chancen, ein Mandat zu erringen.

Ihnen geht es aber vor allem um die "Ungleichbehandlung" zwischen Wahlparteien, die von Abgeordneten zum Nationalrat unterstützt werden, und solchen, die auf Unterstützungserklärungen angewiesen sind. Ich kann hier keine Unsachlichkeit erkennen. Eine solche läge nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichthofes nur dann vor, wenn Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandelt würde, ohne dass diese durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen gerechtfertigt würde. Im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Bestimmung, aussichtslose Kandidaturen zu verhindern, besteht nun ein solcher Unterschied im Tatsächlichen: Im einen Fall hat eine Partei bereits bewiesen, dass sie Chancen hat eine Mandat zu erringen, im anderen Fall nicht. Auch wenn Sie darauf verweisen mögen, dass dies bloß ein prozentmäßiger Unterschied im Ausmaß der Wählerzustimmung ist, so zeigt dies doch, wie bei irgendeinem Punkt Quantität in Qualität umschlägt.

Im übrigen hat die SPÖ schon in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass derartige Mindesterfordernisse drastisch abgesenkt wurden, wie etwa bei der Nationalratswahl, oder auch die Unterstützung durch Abgeordnete abgeschafft wurde, wie bei der Bundespräsidentenwahl.

Mit freundlichen Grüßen
gf. KV Dr. Josef Cap
SPÖ-Klub
Parlament, 1017 Wien

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Werter Dr. Cap,

herzlichen Dank für die Antwort, die Sie uns im Namen der gesamten sozialdemokratischen Parlamentsfraktion zukommen haben lassen. Erlauben Sie mir dazu noch ein paar Anmerkungen, die von der Tatsache ausgehen, dass Recht und Gerechtigkeit nicht dasselbe sind.

Ihr Argument, des New-Speaks entkleidet, lautet doch, dass Parlamentsparteien schon etwas "bewiesen" haben. Wenn also das Kriterium in der Vergangenheit begründet ist, es also darin besteht, dass irgendwer irgendwann irgendetwas bewiesen hat - warum werden dann überhaupt Wahlen durchgeführt? Wäre es da nicht billiger, NR-Mandate (abseits von Parteibindung) z. B. aufgrund geleisteter Redezeit von MandatarInnen im Parlament oder von Meinungsumfragen oder von Tele-Votings zu vergeben?

Geht das Recht vom Volk aus, so hat der Souverän auch das Recht, selbst über das Prozedere der Wahl zu bestimmen - wir gehen jedenfalls davon aus, dass Wähler und Wählerinnen die Möglichkeit haben wollen, aus einer Vielzahl von Parteien und KandidatInnen auszuwählen, und dass diese Möglichkeit nicht durch einen bürokratischen Hürdenlauf beschränkt werden soll.

Ihr Argument ist auch aus folgendem Grund nicht nachvollziehbar: Was hat denn das BZÖ, welches keine Unterschriften sammeln muss, bisher bewiesen? In Wien und in der Steiermark schnitt das BZÖ schlechter ab als die KPÖ; und Meinungsumfragen, über deren Qualität ich an dieser Stelle nicht debattieren will, bezeugen dem BZÖ auch diesmal nur geringen Wählerzuspruch. Was hatten Heide Schmidt und das Liberale Forum anno dazumal "bewiesen"? Und vor allem - darauf haben Sie auch keine Antwort gegeben - warum darf ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete für mehrere Kandidaturen unterschreiben, "gewöhnliche" Staatsbürger bzw. Staatsbürgerinnen aber nicht?

Mit freundlichen Grüßen,
Mirko Messner, Bundessprecher der KPÖ

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