POSITIONEN & THEMEN
Von Manfred Bauer (19.3.2012)
Zur Rechtfertigung militärischer Konflikte und Besatzung pflegen Krieg führende Staaten und ihre Ideologen einen ganz eigenen Diskurs: Da werden Kriege zu humanitären Einsätzen stilisiert, Flächenbombardements dienen dem Schutz der Zivilbevölkerung und Widerstand dagegen gilt grundsätzlich als terroristischer Akt (in: Herald Tribune u.a.).
Schon Arthur Schnitzler hat im Angesicht der Gräuel des Ersten Weltkriegs die hinterfotzige Etymologie der Machthaber kritisiert: Man sagt, er ist den schönen Heldentod gestorben. Warum sagt man nie, er hat eine herrliche Heldenverstümmelung erlitten? Man sagt, er ist für das Vaterland gefallen. Warum sagt man nie, er hat sich für das Vaterland beide Beine wegschießen lassen? (in: Aphorismen und Betrachtungen)
Als der Krieg in Libyen tobte, gaben die NATO und sämtliche Kriegsminister, die sich bereits seit Jahrzehnten als Verteidigungsminister verstehen, die Parole vom internationalen Polizeieinsatz aus. Dieselbe NATO definierte im Jugoslawien-Krieg den Tabubereich der Tötung von Zivilisten als Kollateralschaden um, der bedauerlicherweise eben auch weiche Ziele, also Menschen, getroffen habe (in: Der Spiegel u.a.).
Gleichzeitig schürt und verlautbart der gleichgeschaltete mediale Apparat seine Entrüstung über die Grausamkeiten derer, die von der NATO im humanitären Einsatz und zu Recht nieder gebombt werden; kaum jemand entsinnt sich dabei des Aphorismus, mit dem Nietzsche die Heuchelei dieser Haltung entlarvt: Niemand lügt so viel als der Entrüstete (in: Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra)
Im gemeinsamen Boot?
Apropos Lügen: Auch Unternehmen streuen vor allem in Krisenzeiten reichlich Euphemismen (Umschreibungen) aus, wobei ihnen die Politik um (fast) nichts nachsteht. So sollen zum Beispiel die Begriffe Null- oder Minuswachstum suggerieren, dass trotz Stagnation oder Verlust ein Wachstum stattfand. Oder: Eine Gewinnwarnung warnt nicht vor Gewinnen, sie indiziert vielmehr, dass mit herben Verlusten zu rechnen ist.
Und wenn wir heute nicht über die massiven Risiken heimischer Banken in Osteuropa reflektieren oder reden sollen, nicht über die Kontrolle der Finanzmärkte oder über die gerechte Verteilung von Krisenkosten, nicht über Armut und Arbeitslosigkeit, so reden wir garantiert über die Schuldenbremse. Denn eine Machtelite stellt fest, was alle festzustellen haben: Wir müssen den Gürtel enger schnallen!
Dazu zählen Entlassungen als Freistellung, die Reduzierung von öffentlichen Dienstleistungen als Strukturanpassung oder die geringe Dotierung der Mindestsicherung als Erhöhung der Treffsicherheit.
Wenn schließlich eine rabiate Partei den Stecken, auf dem sie selbst den größten Dreck hinterlassen hat, gegen die Altparteien erhebt, kann sie sich des Applauses jener sicher sein, deren diffuses Unbehagen angesichts einer allgemeinen politischen Verwahrlosung ins Ressentiment und nicht in die Kritik führt. Vergessen ist dann ganz plötzlich, dass genau jene Partei vor wenigen Jahren noch kaum eine Korruption ausließ, wohl, weil sie mit fast jeder ident war. Gefährlicher als eine solche Haltung ist nur mehr, sie nicht ernst zu nehmen.
Und wenn dann am Ende des Tages das gemeinsame Boot, in dem wir angeblich alle sitzen Unternehmer wie Arbeitnehmer, Reiche wie Arme, Mächtige wie Ohnmächtige , beschworen wird, so bedeutet das übersetzt, dass wir fast alle in der Scheiße stecken aber gewiss nicht in der eigenen!