KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Sie holten zum Schlag aus

»Es lebe die Freiheit« – eine Losung, die die Militärs nicht länger duldeten und tilgen ließen.

(11.9.2013)

Vor 40 Jahren stürzten Militärs die Regierung der Unidad Popular in Chile.

Es waren nicht alle empört, als das chilenische Militär die Regierung von Salvador Allende stürzte. Die »Bild«-Zeitung schrieb am 12. September 1973, dem Tag nach dem Putsch: »Drei Jahre Marxismus – und Chile war kaputt«. Sie erfüllte die Rolle des Militärlautsprecher­s: »Jetzt hat die Armee nicht mehr länger stillgehalten. Vor Nachahmung wird daher gewarnt.«

Auch der unmittelbar begonnene Terror, die Verschleppungen, Folterungen und Ermordungen von Anhängern der Unidad Popular schreckten nicht überall. Die »Bild«-Schwester für die Krawatten tragende Rechte, »Die Welt«, schrieb am 2. Oktober: Die Menschen fühlten eine »Befreiung von dem Alpdruck, den Allende und, mehr noch, seine Trabanten für sie bedeutet haben«. Die Zeitung wusste auch: Sechs zunächst mit inhaftierte Bundesbürger hätten ihre Pässe zurückerhalten. Und: »So behutsam die Junta mit diesen Deutschen verfuhr, so schonend ging sie auch mit Blut und Gut der Chilenen selbst um. Es war ein Putsch, bei dem in Santiago nicht einmal der Strom ausfiel.« Schmierige Freude und ekelhafter Zynismus breiteten sich in den konservativen Medien über Tausende von Toten aus, die die Opfer nicht nur von Pinochet waren, sondern auch von Nixon und Kissinger, der CIA und Konzernen wie ITT, Anaconda, Kennecott und Hoechst.

Blättern in einem 40 Jahre alten Archiv. Für die Septemberausgabe des »Arbeiterkampf«, einer linken Monatszeitung aus Hamburg, die rund eine Woche vor dem Putsch erschien, hatte ich einen längeren, ahnungsdüsteren Artikel geschrieben: »Friedlicher Übergang auf dem Sterbebett«. Es lagen Besorgnis erregende Nachrichten aus Chile vor. Trotz eines gescheiterten Putschversuchs im Frühsommer hatte die Rechte nicht nachgelassen, eine Umsturzstimmung zu schüren. Sie drängte die Unidad Popular zu Zugeständnissen, die diese schwächen sollten. Sie drängte sie zur Aufnahme von Militärs in die Regierung und zu deren Ermächtigung, all jene zu entwaffnen, die sich angesichts der zunehmenden Anschläge und Sabotageakte darauf vorbereiteten, den gewählten Weg in ein freieres Chile auch außerhalb der staatlichen Institutionen zu verteidigen.

Welche Chancen hatte die Allende-Regierung da noch, ihr Programm eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels zugunsten der ärmeren Bevölkerung mit friedlichen Mitteln fortzusetzen? Ihre Gegner zollten ihr keinen Respekt für diesen Versuch. Sie verlangten, dass die Unidad Popular die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie zu beachten hätte, während sie selbst diese für überflüssig hielten. In weit mehr als der Hälfte des südamerikanischen Kontinents herrschten damals bereits Militärdiktaturen, die die Privilegien der Reichen mit Waffengewalt schützten und dem internationalen Kapital freies Schussfeld für satte Profite verschafften. Nun wollte auch die chilenische Rechte sich den ersten Schlag reservieren, ohne auf einen Widerstand zu treffen, der sie erneut aufhalten konnte. Und sie holte am 11. September gnadenlos dazu aus.

War die Unidad Popular das tragische Opfer einer Illusion geworden? War ein gerechteres Leben nur noch mit Mitteln möglich, die denen des brachialen Gegners ähnlich und ebenbürtig waren, bewaffnet also – zumal in den Ländern der Dritten Welt, wo die Konzerne aus den Metropolen und die CIA die ihnen passenden Regimes mit Eisenfäusten ausstatteten? War die Welt vor 40 Jahren noch so weit entfernt davon, die Selbstbestimmung von Menschen zu achten? Auch die Regierung Willy Brandts hatte 1972 die Exportbürgschaften für Chile ausgesetzt und sich damit als Schräubchen bei der Destabilisierung der Allende-Regierung benutzen lassen.

Die Skepsis ist ein Klotz am radikalen Bein der internationalen Solidarität. In Hamburg kamen nach dem Putsch 2000 Genossinnen und Genossen zur dort größten Veranstaltung, im Berliner Osten protestierten 350 000 Menschen. Insbesondere aus der DDR hatte die Unidad Popular in den knapp drei Jahren ihrer Amtszeit viel Unterstützung erfahren. Mehrfach brachten Schiffe Hilfsgüter nach Chile, darunter Medikamente und medizinische Instrumente, Baumaterialien und Ausstattungen für Schulen und Kindergärten, Fahrzeuge, Elektrowaren, Sportgeräte und Lebensmittel. Die Bevölkerung beteiligte sich aktiv an Spendensammlungen, die FDJ schickte Arbeitsbrigaden, die beim Schulbau halfen. Diese Solidarität war nur möglich, weil in Rundfunk und Fernsehen, auf Versammlungen in Betrieben, im Schulunterricht und auf Veranstaltungen intensiv über die Unidad Popular, ihre Vorhaben und die Lage in Chile informiert wurde.

Die Solidarität, die wach wurde, als die Kämpfenden schon Opfer waren, konnte den Lauf der Dinge nicht mehr aufhalten. Aber wie jene, die früh aufmerksam war, ist sie gebliebene Mahnung, dass sich ein 11. September nicht wiederholen darf.

Weiterlesen:

Was Allende versuchte

Neben einer Landreform und der Verstaatlichung der Kupferminen (Chiles bedeutendste Bodenschätze) und Banken begann die Unidad Popular nach ihrem Wahlsieg 1970, die soziale Lage der Menschen zu verbessern.

Diesseits des 11. September

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Chile ist zu einem Lebensthema des Dokumentarfil­mregisseurs Walter Heynowski geworden

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Quelle:

Neues Deutschland , Jürgen Reents, 11.09.2013

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