POSITIONEN & THEMEN
Von: Josef Stingl (7.6.2017)
»Koalitionskrise«, Neuwahlen, davon darf der neoliberale Umbau des Sozialstaates aber nicht gebremst werden. Rasch wollen SPÖ und ÖVP noch vor der Wahl ein Bundesverfassungsgesetz mit den Staatszielen »Wachstum, Beschäftigung und Wirtschaftsstandort« kreieren. Damit wäre der neoliberale Staatsumbau um eine Stufe, auf Verfassungsebene, gehoben!
Schon wieder diese Schwarzmalerei werden jetzt etliche einwenden: Es geht um die dritte Schwechater Flugpiste! Es sollen »nur« Klima-, Umweltschutz und Nachhaltigkeit neutralisiert werden. Ich bleibe dabei, mit dieser Entscheidung soll der neoliberale Umbau lange Zeit verfassungsmäßig gesichert werden.
Staatsziel Wirtschaftswachstum
Ungehemmtes Wirtschaftswachstum hat nicht nur GewinnerInnen. Dafür wird, global
gesehen, der ökologische Lebensraum in der Dritten Welt ruiniert. Dafür
müssen sich in sogenannten Schwellenländern Frauen und Männer, ja selbst
Kinder unter menschenunwürdigsten Bedingungen und (Ver)Hungerlöhnen zu Tode
buckeln. Das nur um unseren »konsumgeilen Wohlstand« aufrecht erhalten zu
können. Die Konzerne scheffeln damit Milliarde um Milliarde.
Auch in der EU finden wir VerliererInnen, allen voran die Menschen in
Griechenland. Sie zahlen die Rechnung die »reiche und superreiche
Wirtschaftsgewinner« vorgelegt haben. Geradezu zynisch ist schon, dass
selbige uns jetzt den Neoliberalismus unter dem Motto »Gewinne privat, Verluste
dem Staat« als alternativlosen Ausweg verkaufen.
Staatsziel Wirtschaftsstandort Um »unsere
Arbeitsplätze« zu sichern schlagen für dieses Ziel neben der Geldherrschaft
auch viele GewerkschafterInnen die Trommeln. Abgesehen davon, dass unsere Arbeit
durch Digitalisierung und Rationalisierung weitaus höher gefährdet ist, ist
anzumerken, dass es sich bei dem Ziel um keinen Schutz für unseren
gemeinwirtschaftlichen Standort handelt. Post, Daseinsvorsorge, Wasser,
Gesundheits-»Markt« und so weiter dürfen /müssen? weiterhin der
Privatwirtschaft zugeführt werden.
Und, jede und jeder kann sich ausrechnen was bei uns passiert wenn die neuen
»Verfassungsmotoren Wachstum und Standort« zu stottern beginnen: Die
hemmungslose Beseitigung von umwelt-, sozial-, arbeits- umweltrechtlichen
Hindernissen!
Erste Anzeichen sind sichtbar, beispielsweise dieses neue Staatszielgesetz, oder
die Deckelung von Sozialleistungen, oder die Forderung nach dem Ende des
»Pflicht«-Kammersystems«, oder die Forderung nach dem 12-Stunden-Arbeitstag
oder der Angriff auf die Lohnnebenkosten, die aber der Sozialabsicherung
dienen.
Staatsziel Beschäftigung Ein Ziel mit ehernem Motiv könnte
man meinen. Nur die Bedingungen, also um welche Beschäftigungsverhältnisse
es sich handelt, sind nicht definiert: Vollbeschäftigung, Anspruch auf
Vollzeitarbeit, verpflichtende sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung aller
Beschäftigungsverhältnisse und existenzsichernde Einkommen wurden
(wissentlich) vergessen.
Die weitere Präkarisierung der Beschäftigungsverhältnisse wird damit
eingeleitet. Noch mehr Menschen werden neben ihrem »Arbeitslohn« auf
öffentliche oder benefizmäßige Zuweisungen angewiesen sein. Der ohnehin
»expandierende Working-poor-Sektor« wird noch größer werden.
Wohin die Reise geht
Greifen diese Maßnahmen nicht, werden bereits neue »Zukunftsmodelle«
angedacht: »Hilfsarbeiten« für die öffentliche Hand bedürfen keiner
Anstellung. Sie können von Flüchtlingen, »HängemattenschmarotzerInnen«,
… GEMEINwirtschaftlich als Ein-Euro-Job oder gratis geleistet werden.
Ältere Lohnabhängige (das Pensionsantrittsalter soll steigen), werden mit
Programmen, wie der »Aktion 20.000«, für den »modernen Arbeitsmarkt fit
gemacht«. Zum leichteren Austausch wird ihr besonderer Kündigungsschutz
aufgeweicht. Der nützliche Nebeneffekt: Diese Konditionierungsmaßnahmen
unterdrücken das unnütze Gesumse über Gerechtigkeit oder Vermögensteuern
…
Entsteht trotzdem Widerstand ist mit einem eingeschränkten Demonstrationsrecht
und einem schärferen Strafgesetzbuch vorgesorgt. Mit dem Straftatbestand der
»staatsfeindlichen Bewegung« ist endlich der »Mafiaparagraph« grundsaniert.
Dieser hat sich ja letztendlich bei der Kriminalisierung der renitenten
TierschützerInnen für untauglich erwiesen. »Angriffe« auf die neue
(neoliberale) Verfassung sind so leicht über die Justiz abzuhandeln …
Neoliberale Verfassung oder Schwarzmalerei, jedeR darf jetzt selbst darüber nachdenken!
Josef Stingl ist Vorsitzender des GLB, Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB