POSITIONEN & THEMEN
Von: KPÖ-PD (Wien) (20.3.2016)
Rund 15.000 Menschen haben gestern in Wien für die Einhaltung
grundlegender humanitärer Prinzipien durch die österreichische Regierung
demonstriert. Auch KPÖ Bundessprecher Mirko Messner ergriff das Wort.
Nachfolgend seine Rede.
Oder das Video von der Facebook-Seite der KPÖ zum
nachhören.
Zunächst einmal im Namen des Bundesvorstands der KPÖ solidarische Grüße
euch allen, vor allem auch jenen, die es geschafft haben, sich vor Krieg und
Elend hierher zu retten. Und jenen Unzähligen, die sich mit unglaublicher
Energie und Ausdauer engagiert haben, um den Flüchtenden zu helfen. Es war euer
Engagement, das „Menschlichkeit statt Hetze“ für kurze Zeit sogar zu einem
Wahlslogan hat werden lassen.
Das war gestern. Heute sieht es anders aus. Es ist euer Engagement, das durch
die Politik der österreichischen Regierung und die EU-Politik verhöhnt wird,
auf dem heute herumgetrampelt wird. Indem mit Hilfe eines Staates, der durch
seine reprressive nationalistische Politik selbst dabei ist, Menschen in die
Flucht zu treiben, indem also mit Hilfe der rechten türkischen Regierung die
Festung Europa zementiert wird.
Unlängst ist wieder eine Meldung durch die Medien gezischt, so schnell und
so ungeheuerlich, dass sie kaum zu fassen ist: Ich spreche von der Offenbarung
des EU-Steuerkommissars Agirdas Semeta, und die lautet: „Etwa eine Billion
Euro geht der EU Jahr für Jahr durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung
verloren“. Eine Billion Euro, das ist eine Zahl mit zwölf Nullen, das sind
acht Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der EU.
Wovon ist also NICHT die Rede, wenn verkündet wird, der Sozialstaat sei zu
teuer geworden, wovon ist also NICHT die Rede, wenn im selben Atemzug von den
Rechtsextremen gepredigt wird, die Flüchtlinge fressen „uns“ die Haare vom
Kopf, seien also irgendwie schuld daran, dass vorne und hinten das Geld für
Soziales, Gesundheit, Bildung, Kunst und Kultur abgezwackt und minimiert wird?
Es ist NICHT die Rede von der Austeritätspolitik der dominanten Kräfte in der
EU, es ist NICHT die Rede von der bizarren Bereicherung an der Spitze der
Gesellschaftspyramide, von der europaweiten Umverteilung von unten nach oben.
Von den Millionen Erwerbslosen, deren Lebenslinien brechen und die perspektivlos
leben müssen.
Und genau darüber sprechen WIR.
Die ökonomischen und politischen Apparate des Neoliberalismus sowie ihre
Filialen im globalen Süden, im Mittleren Osten sind nicht fähig und nicht
willens, sozialen Fortschritt und friedliche Entwicklung zu schaffen. Wer
Völkerrecht ignoriert, wer Waffen exportiert, wer Kriege führt, Staaten,
Gesellschaften, natürliche Ressourcen und Umwelt verwüstet, verursacht Flucht
und damit Asylsuchende.
Wenn also beflissene EU-PolitikerInnen verkünden, es sei nötig, die
Fluchtursachen an ihrem Ursprung zu beheben, dann haben sie recht. Aber sie
werden es wohl nicht tun. Würden sie es tun, dann müssten sie ihre eigene
Geschäftsgrundlage in Frage stellen, denn genau die ist untrennbar mit dem
Komplex der Fluchtursachen verwoben – historisch und aktuell.
Wir lassen uns nicht täuschen. Wir verstehen schon, was gemeint ist, wenn aus
den Leitstellen der europäischen Politik und Ökonomie das Wort von den
europäischen Werten tönt. Diese Werte lassen sich in harte Währung umrechnen
und berechnen.
Wir verstehen schon, was gemeint ist, wenn die Straches in ganz Europa von
europäischen Werten sprechen. Wenn rechtsextreme Frauenhasser vorgeben, die
Rechte der Frauen zu verteidigen. Wenn Sozialdarwinisten und Rassisten vorgeben,
den Sozialstaat zu verteidigen.
Wir machen nicht den Fehler, das reaktionäre Sein vor lauter liberalem Schein
zu übersehen. Auch wir sprechen von europäischen Werten. Die europäischen
Werte, die wir meinen, das sind die Werte der Solidarität, die von der
europäischen Arbeiterbewegung erkämpft wurden. Das sind die Werte der
Gleichberechtigung, die von den Frauen erkämpft wurden, um die heute wieder
gestritten werden muss. Das sind die Werte des Laizismus. Das sind die Werte der
Vision einer Gesellschaft jenseits verrückter und zerstörerischer
Finanzmärkte. Das sind die Werte der Partizipation, die von Millionen
Europäern und Europäerinnen und weltweit in sozialen, gewerkschaftlichen und
ökologischen Bewegungen getragen werden. Und: das sind die Werte des Rechts
auf Asyl.
DAS sind sie, die europäischen Werte, um die WIR streiten. Europaweit. Und hier vor Ort. Der Grund, dass wir das tun, ist einfach: Weil der Mensch ein Mensch ist.
Grenzen auf für Menschen, die vor Krieg und Elend flüchten.
Grenzen zu für Steuerflüchtlinge,
Grenzen zu für die transnationalen Ressourcenplünderer und für die
Ressourcenkrieger.
Schluss mit dem europäischen Rüstungsexport,
Schluss mit neoimperialistischen Abenteuern.
Wenn wir das erreichen wollen, dann setzt das neue politische Kräfteverhältnisse in Europa voraus. Indem wir uns gemeinsam darum bemühen, hier, vor Ort, leisten wir unseren Beitrag dazu.
Hvala za pozornost. Danke für die Aufmerksamkeit.