Weil der Mensch ein Mensch ist
Von: Bundesvorstand der KPÖ (25.1.2016)
Viele Mitglieder und FreundInnen der KPÖ haben sich in den letzten
Wochen und Monaten aktiv in der Solidaritätsarbeit mit Flüchtlingen engagiert
und engagieren sich nach wie vor. Während vor allem die Wiener SPÖ in ihrem
Gemeinderatswahlkampf auf die breite Stimmung der Hilfsbereitschaft gesetzt
hat, um WählerInnen zu gewinnen, hat sie sich beim Asylgipfel mit der ÖVP auf
restriktive Maßnahmen und auf eine sogenannte »Obergrenze« für Asylsuchende
geeinigt und damit den Druck der FPÖ beziehungsweise der österreichen
Rechtspopulisten und -extremisten nachgegeben. Das – so die einhellige
Meinung des Bundesvorstands der KPÖ, der am 23. Jänner
2016 zusammengekommen ist, ist ein Schlag ins Gesicht sowohl der Flüchtlinge
als auch der vielen in der Flüchtlingsarbeit solidarisch Tätigen.
Im Folgenden der einstimmige Beschluss des Bundesvorstands der KPÖ vom
23. Jänner 2016.
- Medien und Politik sprechen vom „Flüchtlingsproblem“ und vermitteln
so den Eindruck, dass die Flüchtlinge und Asylsuchenden das „Problem“ sind;
die Wahrheit ist, dass zuallerst sie, die Flüchtlinge, ein existenzielles
Problem haben, weil sie ihre Heimat verlassen mussten, um dem Elend und dem
Krieg zu entgehen; das Asylrecht kann ihnen nichts und niemand streitig machen,
schon gar nicht jene Staaten, die militärisch, ökonomisch, ökologisch und
politisch mitverantwortlich sind für Krieg und Elend im globalen Süden.
- Die Flucht- und Asylbewegungen sind keine vorübergehende Erscheinung
sondern werden sich auf Dauer verstärken. Die ökonomischen und politischen
Apparate des globalen Neoliberalismus sowie ihre Filialen im globalen Süden
sind nicht fähig und nicht willens, sozialen Fortschritt und friedliche
Entwicklung zu schaffen. Wer Völkerrecht ignoriert, wer Waffen exportiert,
Kriege führt, Staaten, Gesellschaften, natürliche Ressourcen und Umwelt
verwüstet, verursacht Flucht und damit Asylsuchende. Wenn also von der
Notwendigkeit gesprochen wird, die Fluchtursachen an ihrem Ursprung zu beheben,
dann liegt es an den progressiven Kräften des Nordens und des Westens, das
ökonomische und politische System ihrer Länder in Frage zu stellen und die
politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, es zu überwinden.
- Unmittelbarer politischer Nutznießer der Unfähigkeit der europäischen
Regime, human und perspektivisch mit den Flüchtlingen und Asylsuchenden
umzugehen, beziehungsweise sich an die globalen Veränderungen und
Migrationsströme anzupassen, ist die europäische und österreichische
populistische und neofaschistische Rechte. Je weiter das bürgerliche und
sozialdemokratische politische Personal auch in der Asylgesetzgebung und
Asylpraxis vor den menschenverachtenden Forderungen der FPÖ zurückweicht,
wie zuletzt im Fall des Beschlusses über die „Obergrenzen“, umso größer
wird das Manövrierfeld der österreichischen Rechtspopulisten, Rechtsxtremisten
und Neofaschisten. Die jüngsten Beschlüsse des österreichischen Asylgipfels
könnten zu einem Dammbruch in der europäischen und globalen Menschenrechts-
und Asylgesetzgebung führen, mit nicht absehbaren unhumanen Konsequenzen. Darum
fordern wir die Zurücknahme der „Obergrenzen“-Beschlüsse durch die
Regierung und die Landeshauptleute.
- Die von der extremen Rechten und ihren Nachplapperern in Medien und
Regierungen behauptete Schädigung des hiesigen Sozialsystems durch die
Flüchtlinge ist eine glatte Lüge. Zum einen wird das Sozialsystem nicht durch
die Flüchtlinge, sondern durch die Politik des nun schon Jahrzehnte andauernden
Sozialabbaus systematisch zerstört; den Sozialsystemen wird zugunsten der
Stützung von Konzerngewinnen und Banken europaweit Geld entzogen und nach oben
umverteilt. Die Lüge vom durch Flüchtlinge bedrohten Sozialstaat kommt jenen
recht, die hinter diesem Vorhang Mindestsicherung, Mindestlohn und andere
Sozialleistungen bekämpfen sowie den Zugang dazu für alle erschweren wollen.
Zum anderen verdeckt diese Lüge, was Studien schon längst belegen, dass die
Ausgaben für Asyl- und Schutzsuchende in weitaus höheren Ausmaß die
wirtschaftliche Entwicklung begünstigen als sie Kosten verursachen.
- Ja, wir wollen Obergrenzen: Zum Beispiel für Mieten und für
Managergehälter. Und wir wollen einen massiven Investitionsschub für den
kommunalen Wohnbau, für Wohnungen, die leistbar sind für alle, die sie
benötigen, für Lehre und Bildung. Umverteilung von oben nach unten, sowie
Teilhabe der ImmigrantInnen an Wirtschaft, Kultur und Politik statt Hetze und
nationalistische Demagogie: Das ist der einzige humane Weg, den Anforderungen
unserer Zeit gerecht zu werden.
- Je prekärer die internationalen Beziehungen werden, umso krasser erweist
sich, dass die österreichische politische Klasse weder in der Lage noch willens
ist, den friedenspolitischen Auftrag ernstzunehmen, der sich aus dem
verfassungsmäßig verbindlichen Neutralitätsstatus ergibt. Stattdessen hängt
die österreichische Außenpolitik am Rockzipfel der deutschen, und das
Bundesheer ist zunehmend in NATO- und EU-Battlegroup-Umfelder integriert, was
die Gefahr einer Verwicklung in Kriege erhöht. Darum setzen wir uns für einen
ersatzlosen Rückzug Österreichs aus allen militärischen Bündnissystemen ein,
für aktive Neutralitätspolitik im Sinne gewaltloser Konfliktlösungen in
Europa und darüber hinaus, sowie für eine Auflösung des Bundesheeres
zugunsten von Katastrophenschutz-, Sanitäts- und
Zivilschutzorganisationen.