POSITIONEN & THEMEN
Von: Michael Gruberbauer (26.1.2017)
Das Jahr 2016 war das wärmste Jahr seit Beginn der weltweiten
Temperatur-Aufzeichnungen. Die Nachwehen des El Niño-Phänomens und der
Klimawandel führten zu einer Abweichung, die schon gefährlich nahe an die
„Erwärmungsobergrenze“ von 1,5 Grad Celsius heranreicht, die im Jahr
2015 auf dem politischen Parkett in Paris festgelegt wurde. Nichtsdestotrotz
heißt es business as usual, auch und besonders im Weißen Haus.
Mit Donald Trump ist dort nämlich ein Wahnsinniger eingezogen, der schon im
US-Wahlkampf den Klimawandel als „Hoax“ (bewusst verbreiteter Schwindel)
bezeichnete und sein Kabinett mit Bonzen befüllt, die engste Verbindungen zur
Kohle- und Öl-Lobby pflegen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er zwei
unter KlimaaktivistInnen als äußerst gefährlich eingestufte Pipeline-Projekte wieder auf den Weg gebracht. Noch unter
Barack Obamas Amtszeit kämpften zigtausende Menschen viele Monate lang darum,
den damaligen Präsidenten dazu zu bewegen, zumindest die Keystone Pipeline auf
Eis zu legen.
Gerade die Sache mit dem Eis sollte eigentlich auch einem Donald Trump deutlich
machen, dass er wortwörtlich mit dem Feuer spielt, wenn er die ökologische Uhr
nun wieder um Jahrzehnte zurückdreht und sich bei der Energiepolitik der USA
und des Westens sowie der sogenannten „Entwicklungsländer“ kein Umdenken
einstellt.
Kein ewiges Eis
Nicht nur die mittlere globale Oberflächentemperatur hat nämlich dieses Jahr
Rekorde aufgestellt. Auch die globale Bedeckung mit Meereis hat immer wieder die Rekorde
geknackt. Ursache ist die ohnehin seit Jahren schwächelnde Eisbedeckung in der
Arktis, für die der Klimawandel verantwortlich gemacht werden kann, und ein
bisher unerklärliches, niedriges sommerliches Eismaximum in der Antarktis. Die
Folgen dieser Entwicklung: Das dunkle Meer verdrängt das helle Meereis, das
System Erde nimmt dadurch mehr Strahlungsenergie von der Sonne auf und erwärmt
sich weiter (der gleiche Effekt tritt im Alltag auf, wenn man zum Beispiel ein
schwarzes statt einem weißen T-Shirt trägt). Eine Rückkopplung, die es in
sich hat: Mehr Wärme bedeutet weniger Eis bedeutet mehr Wärme.
Und auch der Meeresspiegel bleibt vom Rückgang des Meereises nicht verschont.
In der Schule wird zwar gelernt, dass der Wasserspiegel in einem Glas gleich
bleibt, wenn darin ein Eiswürfel schmilzt. Es ist aber zu berücksichtigen,
dass die Erwärmung des Meeres wegen dem Rückgang des Meereises zu einer
relevanten Ausdehnung und damit zu einem Steigen des
Meeresspiegels führen wird. Dazu kommt, dass etwa auf Grönland und in der
Antarktis auf dem Festland unglaubliche Wassermassen gespeichert sind, die in
früheren Zeiten noch Meerwasser waren – und damit einen Meeresspiegel
verantworteten, der um zig bis hunderte Meter höher lag als heute. Es gab keine
Niederlande, kein Bangladesch, kein Florida. Erst die Eiszeit konnte diese
Mengen in den Eisschilden binden. Heute steigt der Meeresspiegel kontinuierlich
und immer rascher wieder an, eben auch deswegen, weil Eis vom Festland wieder
„in die Meere zurück schmilzt“.
Ungewisse Zukunft
Dass das passiert, ist nicht nur an den Messungen der Meereshöhe erkennbar. In
der Antarktis bricht's und bröckelt's, und gerade jetzt schauen die
ForscherInnen mit Sorge auf einen 5.000 Quadratkilometer großen Teil des
Larsen-C-Schelfeises, der abzubrechen droht (Der
Standard: In der Antarktis bricht ein Rekord-Eisberg ab). Das ist
deshalb besorgniserregend, weil ein Aufbrechen dieser Eisplatten die Prozesse,
die zur weiteren Zersetzung führen, noch beschleunigen wird. Diese Vorgänge
können die WissenschaftlerInnen zunehmend nur noch von Satelliten aus
beobachten. Forschungsstationen vorort sind durch Brüche, Risse und
Schmelzvorgänge ebenfalls gefährdet (zum Beispiel: ORF-online:
Antarktis-Station muss wegen Klimawandels umziehen). Wie schnell das
alles vonstatten gehen wird, ist ungewiss. Dass es aber gerade passiert,
darüber sind sich die ExpertInnen einig.
Aber nicht nur das Eis in der Arktis und Antarktis hat eine ungewisse Zukunft.
Seit Jahren schrumpfen weltweit viele Gletscher aus denselben Ursachen dahin.
Dabei haben die Gletscher aber nicht nur den Zweck, als Skigebiete für
TouristInnen und ExtremsportlerInnen zu dienen oder Strahlung von der Sonne
wieder in den Weltraum zurückzuwerfen, sie speichern und regulieren auch die
Trinkwasserversorgung. Das ist in den Alpen vielleicht kein Problem, aber sehr
wohl in vielen Gebieten, besonders in Dörfern und Städten in Innerasien oder
den Anden, wo eine moderne Infrastruktur zur Trinkwasserwiederaufbereitung
fehlt (siehe informatives Interview: „Großteil der Gletscher verschwindet“).
Vorwurf aus der Zukunft
Die sich andeutenden Veränderungen des weltweiten Eises, der sogenannten
Kryosphäre, sollten uns also Sorgen machen und die Politik dazu bewegen,
endlich und rasch globale Maßnahmen durchzusetzen, um die Erderwärmung
beziehungsweise den Klimawandel noch einzubremsen. Wird das ernst genommen, so
kommt man im Rahmen der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung um ein wesentlich
schärferes System des Emissionshandels oder – noch besser – einer
globalen CO2-Steuer nicht herum. Trotz aller Ideen, lokaler Projekte und
Initiativen zur Senkung des ökologischen Fußabdrucks, etwa die von der KPÖ
geforderte Energiegrundsicherung
und eines stark ausgebauten, kostenlosen öffentlichen Verkehrs.
Wenn Donald Trump wirklich vier (oder sogar acht) Jahre im Amt bleiben
sollte, kann man nur hoffen, dass auch er und seine Freunde aus der Lobby der
fossilen Energieträger endlich und zumindest in dieser Frage zur Vernunft
kommen werden. Eine globale und wirksame Klimapolitik ist ohne die USA nicht
möglich, auch wenn China und Europa vorgeben, konkrete Maßnahmen weg von
fossilen Brennstoffen und hin zu erneuerbarer Energie im großen Stil ergreifen
zu wollen. Noch ein paar Jahre „weiter wie bisher“ sind der sichere Weg in
eine Katastrophe, die unsere Kinder, Enkelkinder und weitere Generationen mit
einer veränderten Welt konfrontieren wird, die nicht fähig ist, sieben (oder
mehr) Milliarden Menschen mit Nahrung, Trinkwasser und einer lebenswerten Umwelt
zu versorgen.
Ihrem Vorwurf aus der Zukunft, angesichts des Klimawandels untätig geblieben zu
sein, sollten wir uns bewusst sein.