KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Zur Wiener Wahl 2015

Von: Mirko Messner (18.10.2015)

Eine etwas geschwächte, aber nicht zerstörte SPÖ, eine mit nahezu einem Drittel der Stimmen zur zweitstärksten Partei gewordene FPÖ, stagnierende Grüne mit der Aussicht, wieder gemeinsam mit der SPÖ die Stadtregierung zu bilden, eine auf unter zehn Prozent geschrumpfte, aber in verjüngter Form der NEOS geklonte ÖVP, sowie eine auf niedrigem Niveau (im Vergleich zur KPÖ 2010 ) und in bescheidenem Ausmaß gestärkte linke Wahlallianz: das ist kurz gefasst das nummerische Ergebnis der Wiener Gemeinde- und Bezirksratswah­l 2015.

Dass die SPÖ nach rechts verliert, und zwar nachhaltig, ließ sich nicht erst aus dem Ergebnis der jüngsten steirischen und vor allem oberösterreichis­chen Landtagswahlen ablesen. Der diesen Verlusten zugrundeliegende Erosionsprozess hat, wie mittlerweile von Teilen der Sozialdemokratie selbst begriffen, mit ihrer Einbindung in das neoliberale Abbruchunternehmen zu tun. Im Prinzip unterscheidet sich die Situation in Wien nicht von der allgemeinen – allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Macht und Einfluss der Wiener Sozialdemokratie gründen auf dem beträchtlichen und selbst im europäischen Maßstab relevanten sozialen Erbe („Rotes Wien“), das sie verwaltet. Zu dessen sukzessiven Abbau trägt sie allerdings selbst bei und öffnet so den Rechtspopulisten Räume (dies am Beispiel der Wiener Gemeindebauten auch im wortwörtlichen S­inn).

Es waren allerdings zumindest zwei andere aktuelle Momente, die die Spezifik der Wiener Wahl 2015 ausgemacht ha­ben:

Untergehende SPÖ in Oberösterreich

Erstens, das zwei Wochen vor der Wiener Wahl gebotene Drama der untergehenden SPÖ-Landespartei in Oberösterreich, die angesichts des Flüchtlingselends nicht vor hässlichen Lockrufen in rechtsextreme Richtung zurückschreckte – und am Wahlabend erkennen musste, dass ihr die Anbiederung an den Chauvinismus nicht nur nichts gebracht, sondern einerseits ihren Niedergang und andererseits den Höhenflug der FPÖ beschleunigt hatte (wobei die linke Alternative, die KPÖ in Linz, für ihr kompromissloses antirassistisches Engagement mit beachtlichem Stimmenzuwachs belohnt wurde, ähnlich wie die dortigen Grünen).

Humanitäres Erwachen der Zivilgesellschaft

Das zweite spezifische Moment der Wiener Wahl, das wahlentscheidend wirkte, war das humanitäre Erwachen breiter Teile der Zivilgesellschaft, ebenfalls kurz vor der Wiener Wahl. Die abertausenden freiwilligen HelferInnen, die sich an den Autobahnen, an Österreichs Grenzen, an den Wiener Bahnhöfen unmittelbar engagierten, sie waren der Kern der antirassistischen Demonstrationen, die unmittelbar vor der Wiener Wahl eine ungeahnte Dimension erreichten – Zehntausende waren in Bewegung, 150.000 bei einem abschließenden Konzert vieler KünstlerInnen am Wiener Heldenplatz.

Herbeigeschri­ebenes „Duell“ um Wien

Der sozialdemokratische Wiener Bürgermeister Häupl hat die Gunst dieser Stunden begriffen. Im Wissen, dass er nach rechts Stimmen verliert, kompensierte er dies, indem er sich nach links wandte. „Keine Koalition mit der FPÖ“, hatte er bereits sehr früh wissen lassen, und in den Tagen unmittelbar vor dem Wahlgang wurde die dominierende Parole der Wiener SPÖ „Menschlichkeit statt Hetze“. Sie wurde zum Motto eines von den Medien mit Begeisterung aufgegriffenen „Duells“ Häupl gegen Strache (Parteivorsitzender und Spitzenkandidat der FPÖ).

Nun ist dieses Duell-Gehabe SPÖ gegen FPÖ in Wien nichts Neues. Auch 2010 wurde dieses Stück gegeben, von den Medien mit beflissenem Engagement ausgeschmückt. Doch lief die Inszenierung diesmal nicht nur um Einiges heftiger ab, sondern vor dem Hintergrund eines viele Menschen zu Recht erschreckenden Höhenflugs der RechtspopulistInnen bzw. Rechtsextremen, der viele linke WählerInnen – selbst aus den Reihen der KPÖ – nahezu panisch die Häupl-SPÖ unterstützen ließ. Diese Panik wurde von Meinungsforschun­gsinstituten befeuert, die als hochwirksame Meinungsbildun­gsinstitute und als WahlhelferInnen sowohl für SPÖ als auch für die FPÖ agierten.

Linke Allianz mit kleinem Erfolg

Der Alternative links von SPÖ und Grünen, d. h. der aus KPÖ, Piratenpartei, Plattform der Unabhängigen und der Gruppe Echt Grün bestehenden Wahlallianz „Wien anders – ANDAS“ gelang es in dieser Situation, das Stimmenniveau der KPÖ auf Gemeindeebene geringfügig, auf Bezirksebene deutlicher zu heben (von rund 10.600 auf knappe 12.500 Stimmen) und zusätzlich zu den drei KPÖ-Mandaten in drei Wiener Bezirken zwei weitere dazuzugewinnen. Was von außen, unter Beachtung der Umstände dieser Wahl, als durchaus respektables Ergebnis erscheint, wird von vielen Wien-anders-AktivistInnen als Enttäuschung erlebt. Meiner Meinung nach zu Unrecht, auch wenn es nicht gelungen ist, das hochgesteckte Ziel, den Schwung von Europa anders „mitzunehmen“ (bei den Europawahlen wurden in Wien an die doppelt so viele Stimmen für die linke Allianz abgegeben). Zu unterschiedlich waren die Voraussetzungen dieser zwei Wahlgänge.

Tendenz geht trotzdem nach rechts

Von einem Linksruck der SPÖ bzw. gar einer nach links tendierenden Wiener politischen Landschaft zu sprechen wäre im ersten Fall eine verwegene Illusion, im zweiten schlicht falsch und realitätsfern. So gut es ist, dass der Sozialdemokrat Häupl Bürgermeister in der einzigen österreichischen Millionenstadt bleibt und eben kein Rechtspopulist ihn ablöst, so real ist, dass der Rechtsextreme Gudenus laut Stadtverfassung Wiener jetzt Vizebürgermeister ist; dass die reale Macht der Rechtspopulisten in den Bezirken und auf Gemeindeebene spürbar zugenommen hat; dass viele sozialdemokratische RepräsentantInnen auf Bezirksebene gut mit den Freiheitlichen können; und dass es natürlich auch in der Häupl-SPÖ Tendenzen gibt, letzteren entgegenzukommen. Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Niessl hat sich bereits in eine formale Koalition mit der FPÖ begeben. Burgenland liegt, von Wien aus betrachtet, ums Eck.

Die AktivistInnen von „Wien anders“ werden in den kommenden Jahren genügend zu tun haben, um ihre Präsenz in den Wiener Bezirken auszubauen. Und nach allem, was bisher aus ihren Reihen zu hören war, sind sie fest entschlossen, daran zu arbeiten. Das wird auch nötig sein, denn von einem gegen den neoliberalen Mainstream gerichteten Richtungswechsel in der SPÖ kann – Duell hin oder her – keine Rede sein.

Ich hoffe und ich wünsche der Spitzenkandidatin Juliana Okropiridse, den hunderten ANDAS-AktivistInnen und KandidatInnen, sich die Begeisterung und die Ausdauer zu bewahren, mit der sie in den Bezirken den gemeinsamen Wahlkampf bestritten haben.

Mirko Messner


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