KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Iran und die Bombe - Welche Beweise hat die CIA?

Aus: Report Mainz vom 6. Febuar 2006
Moderation Fritz Frey:

Es geht eine Angst um, die Angst, dass der Iran in die Lage kommt, eigene Atomwaffen zu bauen. Niemand kann das wollen. Und deshalb lautet das Ziel: Der Iran muss atomwaffenfrei bleiben. Der Weg zu diesem Ziel ist allerdings umstritten. Einfach gesagt, die Europäer versuchen es bisher mit zähen politischen Verhandlungen, während Amerikaner heute erneut militärische Option ins Spiel gebracht haben.

Seit dem Wochenende ist das Thema an den UN-Sicherheitsrat überwiesen. Eine weitere Eskalationsstufe. In dieser schwierigen Gemengelage spielt ein iranischer Computer, ein Laptop, eine wichtige Rolle. Thomas Reutter berichtet.

Bericht:

Eine Geschichte wie aus einem Agenten-Thriller. Mitte 2004. Der US-Geheimdienst CIA soll einen Coup gelandet haben. Einem Agenten ist ein Computer in die Hände gefallen. Angeblich voller verräterischer Daten aus dem iranischen Atomprogramm. Die CIA wertet danach über 1.000 Seiten Datenmaterial aus. Ein Jahr vergeht.

November 2005. Die New York Times, eine der angesehensten Tageszeitungen der Welt, bringt eine Titelstory über den Laptop. "Auf dem Computer befanden sich Studien für die wichtigsten Bestandteile eines Atomsprengkopfes."Die Welt ist alarmiert. Die Daten seien der "stärkste Beweis"für ein geheimes iranisches Atomwaffenprogramm. Aber als einzige Quelle nennt die Zeitung US-Regierungsbeamte. Ohne Namen. Trotzdem macht die Nachricht sofort Schlagzeilen. Weltweit eine Sensation:

»USA werfen Teheran Entwicklung eines atomaren Sprengkopfes vor.

USA haben neue Beweise für Irans Streben nach Atomwaffen.

Neue Beweise für Atomexperimente.

Iran entwickelt nach US-Informationen Sprengkopf.

Irans atomare Waffenpläne im Laptop.«

Was steckt hinter dieser sensationellen Nachricht? Kein Journalist hat jemals die Dokumente gesehen. Niemand kann die Herkunft der Dateien überprüfen. Nie wurden die Informanten namentlich genannt.

Einer der wenigen, der die Laptop-Daten auswerten durfte, ist der US-Atomwaffenexperte David Albright. Albright war als UN-Atomwaffeninspekteur tätig. Er ist Direktor des Washingtoner Instituts für Wissenschaft und Internationale Sicherheit und berät regelmäßig den US-Kongress als Fachmann für Atomwaffen. Auch die geheimen Atomwaffenprogramme von Nordkorea und Pakistan hat er analysiert.

Albright, ein scharfer Kritiker des gesamten iranischen Nuklearprogramms, begutachtet die iranischen Laptop-Daten seit 2004. Seine Einschätzung

- überraschend:

O-Ton, David Albright, US-Atomwaffenexperte:

»Es gibt wirklich nichts in diesen Dokumenten, was besagt, dass es eine Atomwaffe gibt. Die Dokumente erwähnen überhaupt nicht "nuklear""nukleare Waffe"oder "nuklearer Sprengkopf".«

Albright erklärt uns, in den Laptop-Dokumenten gehe es nicht um Atomsprengköpfe, sondern in Wahrheit um Raketentechnik. Der Iran besitzt die Mittelstreckenrakete, die Schachab-3, die bis Israel fliegen kann, aber keinen Atomsprengkopf. Die iranische Regierung beteuert immer wieder, gar keine Nuklearwaffen entwickeln zu wollen. Die Laptop-Dokumente können diese offizielle iranische Version nicht widerlegen.

O-Ton, David Albright, US-Atomwaffenexperte:

»Diese Dokumente beinhalten keinerlei Informationen, die besagen, dass es sich um einen nuklearen Sprengkopf handelt. Die Dokumente sind keine smoking gun.«

Wenn die Dokumente aber keine "smoking gun"sind, also keine Beweise für ein geheimes Atomwaffenprogramm enthalten, wie kommt es dann zu Schlagzeilen, die das Gegenteil behaupten?

Rückblick. Vor drei Jahren waren falsche Geheimdienst-informationen ausschlaggebend für den Irak-Krieg. Weltsicherheitsrat, Februar 2003. Der damalige US-Außenminister Colin Powell präsentiert Zeichnungen von angeblichen Biowaffen-Laboren.

Archiv Februar 2003, Colin Powell, US-Außenminister:

»Jede Aussage, die ich heute treffe, wird gedeckt von Quellen, zuverlässigen Quellen. Das sind keine Behauptungen. Wir geben Ihnen Fakten auf Grund zuverlässiger Geheimdienste. Die Dramatik dieser Situation kommt durch die Massenvernichtungswaffen, mit denen der Irak die Welt bedroht.«

Nur: das Ganze stellte sich als falsch heraus. Powell musste sich dafür entschuldigen. Droht nun die nächste Desinformation, diesmal in Sachen Iran, dem nächsten Staat auf Präsident Bushs Achse des Bösen? Demnächst wird sich der Weltsicherheitsrat mit dem Iran beschäftigen. Wieder wird es um Beweise für Massenvernichtungswaffen gehen.

Wien, vorige Woche. Zum wiederholten Mal berät die Internationale Atomenergiebehörde über den Iran. Auch hier wird heiß über den iranischen Laptop diskutiert. Viele Medien halten die Version, der Iran arbeite an Atomwaffen schon deshalb für bewiesen.

Kein Zufall, sagt der Sicherheitsexperte Otfried Nassauer. Nassauer ist Direktor des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit und analysiert seit Jahren die Vorwürfe gegen Iran.

O-Ton, Otfried Nassauer, Sicherheitsexperte:

»Seit 2003, seit der Streit mit dem Iran intensiver wird, ist es eigentlich regelmäßig so, dass in den letzten 10-14 Tagen vor entscheidenden Sitzungen der Wiener Atombehörde kurzfristig nicht zu be- oder widerlegende neue Verdächtigungen gegen den Iran über Diplomaten oder Medien gestreut werden. Diese Meldungen haben natürlich dann eine Druck machende Wirkung auf die Verhandlungen und auf das Klima.«

Bei den Sondersitzungen zum Iran steht die Internationale Atombehörde jetzt extrem unter Druck. Warum, erklärt US-Atomwaffenexperte David Albright.

O-Ton, David Albright, US-Atomwaffenexperte:

»Ich gehe davon aus, dass diese Geschichte so hoch gespielt wurde, weil eine wichtige Sitzung bevorstand. Und ich denke die USA haben die Strategie oft benutzt. Sie können es nicht selber sagen, weil sie wissen, dass es nicht stimmt. Aber dann spielen sie es den Medien zu. Sie bringen die übertriebene Darstellung, und dann zitieren sie die Medien.«

Diplomatischer Druck durch Desinformation. Ein gefährliches Spiel. Der Beweis für iranische Atombombenpläne steht noch aus.

Abmoderation Fritz Frey:

Um es klar zu sagen, es geht nicht darum, die Rolle des Iran zu verharmlosen. Aber es geht um eine gesunde Portion Misstrauen. Gerade dann, wenn Geheimdienste angebliche Beweise vorlegen. Die Erfahrungen mit dem Irakkrieg sollten unseren Blick geschärft haben.

Weitere Informationen:

David Albrights Leserbrief an die New York Times http://www.isis-online.org/publications/iran/lettertonyt.html

Institut für Wissenschaft und Internationale Sicherheit, Washington D.C. http://www.isis-online.org/

Berliner Informations-Zentrum für Transatlantische Sicherheit http://www.bits.de

Aus: Report Mainz vom 6. Febuar 2006

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