KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Uneingeschränkte Handy-Überwachung



Die umstrittene Überwachungsverordnung haucht mit der Festlegung auf einen ETSI-Standard diversen Lauschparagraphen technisch und somit praktisch neues Leben ein.

Christa Braun schreibt in der Volksstimme, Nr. 45/2001, über Terrorismus als Legitimationsgrund für die Demontage des Rechtsstaats. Die linke Wochenzeitung Volksstimme kann zum Preis von ÖS 400,--/ Jahr abonniert werden. E-Mail an volksstimme@magnet.at.

Manchmal sind die Österreicher gründlicher als die Deutschen. Jüngstes Beispiel: Handyüberwachung. Zwar segnete das deutsche Bundeskabinett bereits am 24. Oktober die umstrittene Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) ab, in Österreich wurde aber wenige Tage später bekannt, dass die letztgültige Fassung des hiesigen Pendants inzwischen vorliegt. Und die österreichische Überwachungsverordnung (ÜVO) – ausgearbeitet von den Ministerien für Infrastruktur, Inneres und Justiz – enthält wesentlich eindeutigere Bestimmungen als derzeit in Deutschland gelten.
So sollen noch vor Jahresende österreichische Mobilfunkbetreiber per Verordnung zur Implementierung der technischen Standards für Handyüberwachung verpflichtet werden. Während in der deutschen TKÜV lediglich die Ausarbeitung technischer Richtlinien vorgesehen ist, hat man in Österreich bereits den ETSI-Standard festgelegt. Mit der kolportierten Fixierung auf ES 201 671 in der Version 2.1.1 sind Überwachungs-Schnittstellen für alle digitalen Telefonnetze (PSTN, ISDN, GSM, GPRS) vorgesehen. Recherchen des ORF ergaben, dass künftig auch SMS- und E-Mailverkehr überprüft werden kann. Außerdem müssten Mobilfunkbetreiber Daten respektive Logfiles liefern, die eine Handy-Ortung ermöglichen.

Die Fixierung auf Standards des "European Telecom Standards Institute" (ETSI) bringt die heimische Telekomindustrie gehörig unter Druck. Die Umsetzung der Richtlinie könnte laut Angaben des Branchenriesen Maxmobil – der derzeit im Gegensatz zu anderen Anbietern noch nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügt – innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Im Juni 2002 könnten die Sicherheitsbehörden dann bereits Maxmobil-Kunden belauschen. Bei anderen Anbietern wird die Umsetzung vielleicht noch rascher gehen. So wurde diesen Sommer bekannt, dass Mobilkom und Connect-One bereits technisches Abhörequipment besitzen. Inwieweit der zeitliche Horizont der Umsetzung in der österreichischen Verordnung fixiert wurde, ist derzeit noch nicht bekannt.
Denn zu allem Überdruss wird der Beschluss zwar rasch über die Bühne gehen, eine öffentliche Diskussion bleibt aber ausgespart. Der genaue Text ist noch nicht publik. Zumal es sich um eine Verordnung handelt – diese braucht nicht dem Parlament vorgelegt zu werden, sondern durchläuft lediglich den formalen Amtsweg bis zur rechtsbindenden Veröffentlichung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind bereits durch andere Gesetze (Strafprozessordnung, Telekommunikationsgesetz) geschaffen. Dennoch ist gerade die Festlegung des technischen Standards der Part, der jene anderen Lauschgesetze überhaupt erst mit Leben füllt, respektive deren Umsetzung praktisch ermöglicht.

Der erste Entwurf der Überwachungsverordnung kam im Februar des Jahres zur Begutachtung und stieß damals auf herben Protest bei Telekomanbietern und Datenschützern. Letzteren war vor allem die Festlegung auf ETSI ein Dorn im Auge. In der Frühjahrsversion stand noch ES 201 671 Version 1.1.1, jetzt soll bereits das Update zur Umsetzung gelangen. In den vom deutschen Online-Magazin "Telepolis" im August dieses Jahres veröffentlichten ETSI-Dossiers heißt es zu der neuen Version: "Die vollständig erneuerte Version 2.1.1 des universellen Schnittstellen-Standards, der Polizei und Nachrichtendiensten Zugang zu allen digitalen Netzen verschaffen soll, ist als "Final Draft" bereits in Umlauf. Als europäischer Standard festgeschrieben wird damit ab Ende dieses Monats ein System von Überwachungs-Schnittstellen für alle digitalen Telefonnetze; die Zapfstelle für den Behörden- und Betriebsfunk TETRA wird nachgereicht – ironischerweise stellen gerade zahlreiche Polizeibehörden ihre eigene Kommunikation in ganz Europa auf TETRA um." Was auf EU-Ebene ausverhandelt wurde, soll also in Österreich umgehend umgesetzt werden. Die Deutschen haben es nicht so eilig, zumal die TKÜV den Betreibern einen Spielraum bis ins Jahr 2005 für die technische Aufrüstung lässt.

Immer wieder war von BürgerrechtlerInnen und kritischen PolitikerInnen der Verdacht geäußert worden, dass letztlich auch Geheimdienste über ETSI-Standards flächendeckend überwachen und rastern könnten. Die ORF-Futurezone schrieb bereits im März dieses Jahres dazu: "Dass es dabei alleine um Polizeiagenden geht, wie die Beteiligten auf Anfrage der FuZo immer wieder betont haben, ist eine glatte Schutzbehauptung. Das gleichfalls in der Arbeitsgruppe produzierte, maßgebliche Pflichtenheft der Behörden [Draft TR 101 331 V0.1.2], auf das alle Überwachungsstandards zurückgehen, sagt eindeutig im Vorwort, dass diese Überwachungsstandards für Strafverfolger und Staatssicherheitsbehörden [?law enforcement and state security agencies?] gedacht sind." Erich Moechel, jener Journalist, der im deutschsprachigen Raum die Causa am umfänglichsten dokumentierte, will enge Verbindungen der europäischen Geheimdienste und der für die Standardisierung zuständigen ETSI-Arbeitsgruppe herausgefunden haben. So sollen Nachrichtendienstler aus mehreren Staaten bei der ETSI-Arbeitsgruppe ständig vertreten sein, es gäbe sogar Verbindungen zum israelischen Geheimdienst Mossad. Rein von Gesetzes wegen allerdings geht es in der Überwachungsverordnung nur um Möglichkeiten für die Polizeibehörden.
Ein weiterer wesentlicher Streitpunkt im ersten Entwurf der ÜVO dürfte indes bereinigt worden sein. So war die Formulierung bezüglich der Schnittstellenhoheit sehr schwammig. Es kam der Verdacht auf, dass die Behörden auch ohne Zustimmung oder Wissen der Mobilfunkbetreiber auf die Gespräche Zugriff bekommen könnten. Das Infrastrukturministerium betont, dass dieses "Missverständnis" ausgeräumt sei. Die Schnittstellenhoheit liege in Hinkunft eindeutig beim Betreiber. Außerdem halten die zuständigen Behörden fest, dass nur per Richterbeschluss gelauscht werden dürfe.

In der Telekomindustrie – es gibt in Österreich zwischen 60 und 70 betroffene Betriebe – fürchtet man insbesondere die hohen Investitionskosten. Maxmobil, der zweitgrößte am Markt, schätzt die bloßen technischen Aufrüstungskosten auf 50 bis 70 Millionen Schilling. Laut Gesetz haben die Unternehmen keinen Anspruch auf Kostenersatz. Lediglich bei der Durchführung, also etwa bei den MitarbeiterInnen, die Polizeianfragen bearbeiten, schießt der Staat auch jetzt schon zu. Im Vergleich zu den entstehenden Infrastrukturaufwendungen sind diese Zuschüsse nur Peanuts. Die Telekomindustrie prüft deshalb bereits rechtliche Schritte, um der Kostenfalle zu entkommen. Sicherheit sei eine Angelegenheit des Staates, ist von ihrer Seite als Argument zu hören. Doch letztlich zahlt ohnehin der/die BürgerIn die Zeche – ob als Kunde oder als SteuerzahlerIn. Ob diese neuen und vor allem teuren Überwachungsmethoden tatsächlich die allgemeine Sicherheit erhöhen, wird aber von vielen Experten bezweifelt.

Christa Braun

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