KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Aspirin gegen Bomben

Was tun, nachdem der "zivilisierte Westen" seinen Feldzug gegen den "barbarischen Islamismus" eröffnet hat?


Volksstimme-Redakteur Günther Hopfgartner in Nr. 41/2001. (Die linke Wochenzeitung Volksstimme kann zum Preis von ÖS 400,--/ Jahr abonniert werden. E-Mail an volksstimme@magnet.at).

Manche Ereignisse verlieren ihren Schrecken auch dann nicht, wenn man sie lang schon erwartet hat. Der Militärschlag der USA und Großbritanniens gegen Afghanistan etwa war über Wochen angekündigt und propagandistisch vorbereitet worden. Die entsprechenden Fernsehbilder – die CNN dann natürlich prompt lieferte – hatte jede/r wohl schon tagelang vorher im Kopf. Keine besondere Überraschung also, dass die militärischen Speerspitzen der "westlichen Wertegemeinschaft" am Wochenende los schlugen. Und dennoch blieb da ein verwirrender und beunruhigender Rest in den routinierten Presse-Meldungen von der Front. Zunächst wohl aufgrund der unfassbaren – als Kriegserklärung konzipierten – Ansprache von Tony Blair, der viel mehr noch als George W. Bush die unglaubliche Hybris und Heuchelei des "zivilisierten Westens" verkörpert. Im fast schon sprichwörtlich blairschen Tonfall, zwischen Betroffenheit und Selbstgerechtigkeit tapfer den Kurs haltend, erläuterte der britische Premier am Sonntag, warum es zu dem angekündigten Feldzug gegen die Taliban – und vor allem zu "unserem" Sieg – keine Alternative gäbe. Nicht zuletzt beantwortete Blair aber endlich auch die Frage nach den Beweisen gegen Bin Laden und für die zumindest indirekte Verwicklung der Taliban bezüglich der Anschläge vom 11. September: Ja, Osama Bin Laden sei überführt und mit ihm die Taliban, verkündete der Britenpremier, man habe ihm persönlich Beweise vorgelegt. Welcher Art diese Beweise seien, wollte er allerdings nicht näher erläutern. Wir müssen ihm wohl oder übel glauben, wie auch George W. Bush, dem noch vor wenigen Wochen die allermeisten BürgerInnen der aktuellen Kriegsallianz ohne weiteres zugetraut hatten, durch einen Wahlschwindel ins Präsidentenamt gekommen zu sein. So wie wir den Beweisen der westlichen Geheimdienste glauben sollten, zu deren Aufgaben per de
Nicht dass man Bin Laden oder den afghanischen Potentaten die Anschläge nicht zutrauen würde, wie aber würde wohl die Reaktion der "internationalen Staatengemeinschaft" aussehen, wenn der Kantonatsrat des Schweizer Kantons Zug aufgrund irgendeiner geheimgehaltenen "eindeutigen Beweislage" im Heimatort jenes Attentäters, der wenige Tage nach den Anschlägen in den USA einen großen Teil des Kantonalparlaments hingemetzelt hatte, das Geburtshaus des Täters und die Schule des Ortes niederbrennen lassen würde? Ohne "ordentliches" Gerichtsverfahren selbstverständlich. Schließlich hätten sie den Attentäter unzweifelhaft beherbergt und vermutlich auch sein Denken nicht unwesentlich geprägt.
Freilich sollten wir uns nicht allzu naiv stellen – schließlich wissen wir natürlich, dass Recht viel mehr mit Macht als mit Gerechtigkeit zu tun hat. Internationales Recht allemal. Aber es ist gerade in Zeiten medialer Gleichschaltung schon auch einmal nötig, darauf hinzuweisen, in welchem beinahe skurrilen Kontext Entscheidungen über Leben und Tod von tausenden Menschen, denn darum geht es letztendlich auch bei den Militärschlägen, gerechtfertigt werden.
Apropos skurril: Direkt in der Ideen-Schmiede der Meister des schwarzen britischen Humors, der Monty Python-Truppe, dürfte der zweite aus der routinierten Medienberichterstattung herausragende Aspekt erdacht worden sein: den Bomben auf Kandahar, Kabul und anderen Zielorten warfen US-Bomber Lebensmittel und Medikamente hinterher. Zuerst eine Bombe auf den Schädel und dann eine Probepackung Aspirin für die Kopfschmerzen hinterdrein. Jetzt wissen wir endlich, was den zivilisierten Westen vom barbarischen Islam unterscheidet: Zivilisiert ist, wenn man trotzdem lacht – oder auslacht bzw. verhöhnt, wie etwa "Standard"-Kolumnist Hans Rauscher, der, ganz "his-masters-voice", die Lebensmittelabwürfe als Zeichen dafür wertete, dass die USA ihren Militärschlag gegen Afghanistan nicht blindwütig führen würden.
Jene freilich, die ihren Verstand noch nicht am Army-Rekrutierungsschalter abgegeben haben, drohen diesen oftmals angesichts der scheinbar ausweglosen Situation zu verlieren, in der es unmöglich ist, sich auf eine Seite positiv oder gar mit Sympathie zu beziehen. Denn anders als die "romantischen Helden" des antiimperialistischen Kampfes, von Lumumba über Che Guevara bis Subcomandante Marcos, sind die islamistischen Terroristen und ihre politische Basis in keiner Weise Verbündete der Linken, eröffnen ihre Politik und ihr Denken keinerlei emanzipatorische Perspektive.
Was also bleibt zu tun? Eine "Denkpause" hat der Friedensforscher Johan Galtung schon einen Tag nach den Anschlägen vom 11. September gefordert, um nach Auswegen aus der blutigen Spirale von Terror und Krieg zu suchen. Eine solche Denkpause erfordert freilich die Einstellung der Militärschläge. Diese einzufordern ist zunächst die wesentlichste Aufgabe für die im Aufbau begriffene Antikriegsbewegung, die die für einen politischen Erfolg notwendige "kritische Masse" aber wohl nur in Vernetzung mit anderen Bewegungen, vor allem mit der sich in den Tagen nach dem 11. September bereits wesentlich auf die Themen Rassismus und Antimilitarismus orientierenden "Antiglobalisierungs"-Bewegung erreichen wird. Die Bewegung gegen neoliberale Globalisierung wird wohl auch eine wichtige Option sein, wenn die Linke sich mittelfristig mit Ursachenforschung und Bekämpfung des Terrorismus befassen muss. Konfrontiert sich die Bewegung doch schon seit Jahren mit dem komplexen Geflecht unterschiedlichster Strukturen und Problemlagen, aus dem gewalttätige Machtpolitik, Fundamentalismus, Ausbeutung, Terror etc. erwachsen. Sie repräsentiert zudem politisch das exakte Gegenteil der herrschenden - marktwirtschaftlich "zivilisierten" oder islamistisch "barbarischen" - Fundamentalismen und eröffnet damit letztendlich eine Perspektive, die im Gegensatz zu einem mehrjährigen "zivilisiert" blutigen Feldzug tatsächlich den Terrorismus - welcher Art auch immer - "an der Wurzel ausrotten" könnte.


Günther Hopfgartner

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