KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Politischer Terrorismus


US-Experte Austin Murphy über den 11. September, fatale Panikmache und den Terrorismus der USA. Abgedruckt in der Volksstimme Nr. 39/2001.


Durch die jüngsten Terroranschläge haben die USA immense menschliche wie wirtschaftliche Verluste erlitten. Ein militärischer Feldzug, wie ihn Präsident Bush ankündigte, würde noch katastrophalere Folgen zeitigen, meint Austin Murphy, Finanzprofessor an der Oakland University, Rochester (US-Bundesstaat Michigan).

Präsident Bush hat in seiner Rede am Donnerstag der Vorwoche seine feste Entschlossenheit bekräftigt, einen Vergeltungsschlag zu führen. Gerechtfertigt?

Nein, die Tragödie in New York mit Tausenden von unschuldigen Opfern rechtfertigt keine weiteren, unschuldigen Opfer, die ein Rachefeldzug ganz sicher kosten würde. Chirurgische Präzisionsschläge sind nicht möglich, wie die jüngste Vergangenheit zeigt. Und trotz oder gerade wegen der schrecklichen Untat vom 11. September, muss daran erinnert werden, dass die USA selbst eine lange Geschichte des Terrorismus haben. Von Korea über Vietnam bis zu Irak und Jugoslawien hat sie Beispiele staatlichen Terrorismus gegeben. Es ist auch kein Zufall, dass bin Laden von der CIA ausgebildet worden ist, im Kampf gegen den Kommunismus.
Es muss endlich gebrochen werden mit solch herkömmlichen Mitteln der Auseinandersetzung. Ich glaube nicht, dass eine Bestrafung derjenigen, die für die Terroranschläge auf New York und Washington sowie anderswo verantwortlich waren und sind, den Teufelskreis Terrorismus stoppen wird.

Wie groß sind die finanziellen Verluste durch diese Anschläge?

Die jüngsten Schätzungen nennen Verluste von 73 Milliarden Dollar bei den Versicherungsgesellschaften. Hinzu muss man die nicht versicherten Verluste rechnen. Es ist mit einem direkten Schaden an die 100 Milliarden zu rechnen. Unsere Wirtschaft hat schon vielfach durch Naturkatastrophen große Verluste erlitten; der bislang größte bemaß 19 Milliarden Dollar.
Einen immensen, noch nicht exakt zu beziffernden Schaden haben allerdings die landesweiten sogenannten Sicherheitsmaßnahmen nach der Tragödie verursacht. Viele Betriebe und Institutionen wie auch meine Universität, die sich über eintausend Kilometer entfernt von den Unglücksorten befindet, wurden für mehrere Tage geschlossen. Am folgenreichsten war die Unterbrechung des gesamten Flugverkehrs in den USA. Dadurch konnten viele Betriebe nicht arbeiten, selbst wenn sie wollten. Und auch, als dann die Flugzeuge wieder starteten, war Normalität nicht eingekehrt. Time is money. Große Wartezeiten wegen neuer Sicherheitsvorkehrungen bleiben nicht folgenlos. Viele Menschen verzichteten aus Angst vor neuen Anschlägen ganz aufs Fliegen. Sogar manche Finanzfirmen haben entschieden, keine Flugreisen mehr für ihre Mitarbeiter zu buchen. Das ist menschlich nachvollziehbar, aber nicht im Sinne wirtschaftlicher Effektivität.
Hinzu kam, dass zigtausende Bürger tagelang vor den Fernsehern saßen, weniger gearbeitet, also weniger Werte geschaffen und auch so gut wie nichts gebraucht haben. So etwas ist tödlich für eine Volkswirtschaft. Es ist zu befürchten, dass auch langfristig der Verbrauch gering bleiben wird. Das wird wahrscheinlich die Rezession vertiefen. Man kann also von einem wirtschaftlichen und finanziellen Schaden sprechen, der in die Billionen geht.

Der Kongress hat beschlossen, Fluggesellschaften 15 Milliarden Dollar zu geben ...

Ich finde es widerlich, dass die Politik privaten Großverdienern eine Unmenge an Geld in den Rachen wirft, während die Opfer unter den ?kleinen Leuten? durch private Geldspenden abgespeist werden sollen. Wer wird jenen helfen, die demnächst arbeitslos werden durch Massenentlassungen, etwa bei Flugzeugfirmen?

Können Sie die Beobachtungen bestätigen, dass jetzt besonders die Rüstungsaktien an den Börsen im Wert steigen?

Die Rüstungsfirmen feiern. Ein Krieg ist in Sicht. Das ist ein krankes System.

Halten Sie es für möglich, dass es Insider-Geschäfte an den Börsen im Kontext des Terrors gab?

Für den- oder diejenigen, die diese Anschläge vorbereitet haben, für jene, die davon vorab etwas wussten, dürfte die Verlockung groß gewesen sein, bestimmte Aktien, besonders von Flugzeug- und Versicherungsgesellschaften, ohne Besitz zu verkaufen und nach der Tat zurückzukaufen und später zu verkaufen. Doch bisher ist nichts bewiesen. Es wird auch schwer sein, solche perversen Geschäfte aufzudecken. Durch geheime Konten, besonders in Europa, z.B. Liechtenstein, ist so etwas erfolgreich geheim zu halten.

Die Finanzmacht USA ist angeschlagen, vielleicht auch das internationale Finanzsystem. Was muss getan werden?

Niedrige Zinssätze waren bestimmt eine gute Idee. Doch es gibt eine Inflationsgefahr wegen der Verluste in der Effektivität unserer Wirtschaft, der großen Unkosten auf Grund strengerer Sicherheit und nicht zuletzt wegen der Kriegsvorbereitungen. So wird es nicht möglich sein, die Zinssätze niedrig genug zu halten. Japan hat gezeigt, wie erfolglos sogar Zinssätze von null Prozent sein können. Meines Erachtens kann nur eine politische Lösung die finanziellen Probleme lösen. Zum Beispiel eine internationale Konferenz für die Beendigung des Terrorismus weltweit, einschließlich des Terrorismus von Seiten der USA und der NATO, wie er sich in den Bombenangriffen auf Bagdad und Belgrad zeigte. Es muss die gegenseitige Angst abgebaut werden. Das wird ein militärischer Feldzug, gegen wen auch immer, nicht leisten. Sicher, ein neuer Krieg wird unseren Bossen in der Rüstungswirtschaft sehr genehm sein. Da klingeln die Kassen. Doch die dann verursachten Schäden im internationalen System werden schwer wieder gut zu machen sein.

Bush schwimmt derzeit auf einer Sympathiewelle in den USA. Wie lange wird das anhalten?

Wenn er einen großen und schnellen Erfolg in dem Sinne, wie er ihn verspricht, aufzuweisen hat, dann wird er sich weiterhin der Sympathie der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung erfreuen. Aber das scheint mir unwahrscheinlich. Die meisten Amerikaner sind zwar für einen Vergeltungsschlag, aber selbst wenn es Bush gelingen sollte, mit minimalen Verlusten die Rachewünsche zu befriedigen, so heißt das nicht, dass er unangefochtener Held der Nation bleibt. Das zeigt das Beispiel seines Vaters. Nach dem schnellen, erfolgreichen Krieg gegen den Irak 1991 hat er im Folgejahr die Präsidentenwahl verloren.
Es ist möglich, dass viele Amerikaner trotz der einseitigen Hofberichterstattung in der Presse eines Tages erkennen, dass die terroristische Politik ihrer Regierungen, eingeschlossen die beiden Bush-Administrationen, die eigentlichen Verursacher solcher Terroranschläge wie am 11. September sind. Und vielleicht wird irgendwann diese Erkenntnis dazu führen, dass sie nur noch Menschen in verantwortliche Positionen wählen, die ein für alle Mal bisherigen Praktiken abschwören. Das ist meine Hoffnung.


Interview: Karlen Vesper

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