KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Krieg und Frieden


"Wichtig ist eine konsequente Abwehr der Kriegsvorbereitungen durch die USA." Interview mit Winfried Wolf, Bundestagsabgeordneter der deutschen PDS.

Wolf ist einer der maßgeblichen Autoren des PDS-Programmentwurfs II, der als Gegenentwurf zum Programmpapier des reformerischen Flügels um den Parteivorstand vorgelegt wurde.

Gregor Gysi hat sich am 17. und 18. September für eine "begrenzte militärische Aktion" gegen den Terrorismus ausgesprochen. Viele Parteimitglieder sehen das als Verrat an den antimilitaristischen Grundsätzen und es gibt erste Austritte aus der PDS. Was bedeutet das für das weitere Vorgehen der PDS bei den geplanten Militärschlägen der NATO?

Das Thema Krieg und Frieden wird für die PDS, wie auch schon zu anderen Anlässen, zur entscheidenden Frage. In einer Situation, in der militärische Vorbereitungen auf Hochtouren laufen und Gegenschläge zu unkontrollierbaren Kriegen führen können, muss jedes Bejahen von "militärischen Aktionen" im Sinne einer Unterstützung dieser Dynamik verstanden werden. Auch wenn etwas anderes damit intendiert sein kann.

Im PDS-Entschließungsantrag für die Sondersitzung des Bundestages am 19. September war nicht von "Raus aus der NATO", aber viel von den Vereinten Nationen (UN) die Rede, die den internationalen Terrorismus bekämpfen und ihm den Nährboden entziehen sollen. Die UN sind jedoch in den letzten Jahren systematisch demontiert worden, u.a. von den USA. Ist der Vorstoß der PDS eher ein verzweifelter Hilfeschrei als ein realer Lösungsvorschlag?

Man kann die Partei zur Zeit nur daran messen, ob sie jetzt ja oder nein sagt zu der Dynamik, die in Gang gesetzt wird. Da finde ich das Nein der PDS schon entscheidend. Auch wenn vielleicht die angebotenen Alternativen nicht befriedigen und die programmatischen Antworten, die von der PDS geboten werden müssten, wie z.B. Auflösung der NATO, dort gar nicht enthalten sind. Wichtig ist eine konsequente Abwehr der Kriegsvorbereitungen durch die USA und die Ablehnung des Rückgriffs auf NATO-Artikel 5 sowie jede Art von Bundeswehrbeteiligung. Und das ist bisher eingehalten worden. Nur einzelne Stimmen sprechen sich für militärische Aktionen aus, die aber von mehr als 90 Prozent der Parteibasis abgelehnt werden.

Die Kriegsvorbereitungen werden auch einschneidende Konsequenzen für den Parteitag der PDS Anfang Oktober haben. Wird es eine Initiative zum Ausschluss der Parteimitglieder geben, die den antimilitaristischen Konsens der Partei verlassen und ihre Meinung bis dahin nicht revidiert haben?

Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Ausschlussanträge würden eher eine Provokation darstellen, denn die Machtverhältnisse in der Partei sind völlig andere. Die Gefahr ist vielmehr, dass solche Anträge und repressive Maßnahmen gegen den Hamburger Landesverband ergriffen werden. Zumindest hat dies Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch angekündigt, wegen einer Hamburger Stellungsnahme zu den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon. Alle Ausschlussanträge wären sehr kontraproduktiv. Die PDS sollte vielmehr die politisch-inhaltliche Auseinandersetzung mit beiden Seiten suchen. Da es gerade auch im Osten klare Mehrheiten in der Kriegsfrage gibt, müssen wir beweisen, dass die Position, die solche "militärischen Aktionen" befürwortet, völlig isoliert ist.

Auch auf die Programmdebatte dürfte die neue Situation Auswirkungen haben. Im vom Parteivorstand getragenen Programmentwurf ist nicht mehr die Rede von einer Auflösung der NATO, sondern ihrem Umbau zu oder Ersatz durch ein "gesamteuropäisches und internationales Sicherheitssystem". Das lässt einen sehr großen Interpretationsspielraum offen. Im Programmentwurf II haltet ihr nach wie vor an einem konsequenten Austritt aus der NATO fest. Wie werden diese unterschiedlichen Positionen zum Tragen kommen?

Der Entwurf des Parteivorstandes ist in militärischen Fragen sehr zweideutig. Mit keinem Wort wird im gesamten Programm das Wort "Bundeswehr" erwähnt. Das ist ein Kunststück. Die dortige Formulierung zur NATO unterscheidet sich ganz grundlegend von dem jetzt noch gültigen Programm, das eine Auflösung der NATO und zudem einen unmittelbaren Austritt Deutschlands aus dem Militärbündnis fordert. Uns kann es nur Recht sein, wenn der Parteitag stärker vom Thema "Krieg und Frieden" geprägt sein sollte. Das wäre mehr als angemessen.
Doch ich bin pessimistisch. Vielmehr droht, dass keine große Debatte zum Programm stattfindet und andererseits in Dresden entschieden wird, dass es nur eine Arbeitsgrundlage geben soll: den Programmentwurf des Parteivorstandes. Wir haben demgegenüber von vorneherein das Angebot gemacht, alle drei Entwürfe gleichberechtigt zu diskutieren und auf dieser Grundlage einen neuen Entwurf zu schreiben, auf den sich alle wesentlichen Strömungen in der PDS beziehen können. Das ist unser Angebot, die Einheit der PDS zu verteidigen, aber gleichzeitig darauf zu drängen, dass Prinzipien nicht über Bord gehen. Sollte sich der Versuch der Parteivorstandsmehrheit durchsetzen, die auch jetzt nach den Anschlägen in Dresden nur den von ihnen getragenen Entwurf als Arbeitsgrundlage akzeptieren will, wird das extrem spaltend innerhalb der PDS wirken.
Auch über Krieg und Frieden soll in Dresden nicht unbedingt offen debattiert werden. Stattdessen drohen lange Referate von Mehrheitsvertretern und solche von Fachleuten. Entscheidend wäre jedoch für den Parteitag, das Thema wirklich kontrovers zu diskutieren und gerade die offenen Gegensätze zwischen militärischen Aktionen und strikter Anlehnung an die Beschlüsse des Münsteraner Parteitages im April 2000, auf dem selbst UN-Kampfeinsätze mit oder ohne Bundeswehr von der Parteitagsmehrheit abgelehnt wurden, in den Mittelpunkt zu stellen.

Im Gegensatz zu ´68 und der damaligen Bewegung gegen den Krieg in Vietnam gibt es in der Bundesrepublik nun eine Partei im Parlament, die sich mit dem Label "Antikriegspartei" schmückt. Welches Szenario ist denkbar, wenn die PDS nach dem Parteitag ihrem Anspruch nicht mehr gerecht werden sollte, weil sich die UnterstützerInnen einer Militärintervention durchgesetzt haben?

Der Prozess der Veränderung in der PDS ist ein schleichender. Im Jahr 2001 ist allerdings einiges zusammen gekommen, vor allem nach dem Entschuldigungsmarathon. Es gibt in der Partei Unmut über die Art und Weise, wie zur Zeit über das Thema Krieg und Frieden diskutiert wird und natürlich über die Programmdebatte, wo faktisch eine Richtungsentscheidung herbeigeführt werden soll, ohne dass tatsächlich eine Auseinandersetzung darüber geführt werden kann. Sollte es einen Durchmarsch der selbsternannten Reformer in der PDS geben - was ich für sehr unwahrscheinlich halte - dann würden diese Konflikte kulminieren und es würden voraussichtlich hunderte Mitglieder aus der PDS austreten. Die zentrale Frage dreht sich in Dresden weniger um die konkreten Entscheidungen, sondern vielmehr darum, ob es eine Perspektive im Kampf um den sozialistischen Gehalt der PDS gibt. Wenn der Eindruck entsteht, es ist alles gelaufen, würde damit der Prozess, der seit April im Gange ist - Rückgang der Mitgliedschaft, mehrere Austritte von aktiven Parteilinken - weiter verstärkt werden.


Interview: Gerhard Klas

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