KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Der nächste logische Schritt


Ein Krieg gegen Afghanistan wäre wohl der nächste logische Schritt in einem allzu vorhersehbaren Szenario.Von Karl Reitter. Publiziert in Volksstimme, Nr. 38/2001 vom 20. September 2001

Es gibt Ereignisse, deren Vorhersehbarkeit etwas Erschreckendes haben. Ereignisse, bei denen ein Klischee nach dem anderen erfüllt wird. Ereignisse, die nach den simpelsten Schemata ablaufen und scheinbar alle differenzierten Analysen Lügen strafen. Wer immer auch die Kriegerklärung gegen die USA in Taten umgesetzt hat, er hat damit ein Uhrwerk an Reaktionen in Bewegung gesetzt, die an Vorhersehbarkeit nicht zu übertreffen sind. Der erste Schritt musste ein Aufschrei des Trauers und der Empörung sein. Kein Superlativ durfte ausgelassen werden. Tausende, wenn nicht Zehntausende Menschen sind schließlich durch einen brutalen Kriegsakt ums Leben gekommen. An sich ist ein solches Faktum leider nichts besonderes. Es ist müßig, hier all die Länder und Gegenden der Welt aufzuzählen, in denen in den letzten Jahren unzählige Menschen ihr Leben verloren haben. Solche Ereignisse sind Routine, zählen zum journalistischen Alltag. Es ist ebenfalls müßig, Namen wie Hiroshima und Nagasaki zu erwähnen. Es ist müßig, weil es diesmal nicht um die Schattenseiten der Taten der freien Welt, sondern um den Terror schlechthin geht, um das unbegreifbare Böse.
Der zweite Schritt: Auf Trauer hat Wut zu folgen. Wut, und nichts anderes. Fragen, gar kritische Fragen an die Adresse der US-Administration sind unmöglich und pietätlos. Angesichts von Tausenden Opfern zu überlegen, ob die massive Unterstützung der antisowjetischen Freiheitskämpfer in Afghanistan durch die USA wirklich so klug war, ob die Politik der USA zumindest teilweise diese Aktionen gefördert oder gar provoziert haben, kann sich nur gegen den Fragenden selbst richten. Aus Trauer und Wut hat die absolute Parteilichkeit zu entspringen. "Wer nicht für mich ist, ist wider mich.? Wer Reflexion, Nachdenken und Analyse einfordert, demaskiert sich als heimlicher Komplize des Terrors.
Die weiteren Schritte ergeben sich aus dem unbedingten moralischen Urteil, das bereits vorher feststand, und nun seine triumphale Bestätigung gefunden hat. Der Gegner ist das absolute Böse. Es sind Schurken, Mörder, Terroristen, Unterdrücker, kurzum, der Abschaum der Menschheit. Nur wer dieses moralische Urteil voll und ganz teilt, besitzt die Kompetenz zu sprechen und zu analysieren. Das Ergebnis der jetzt präsentierten Analysen stand bereits vor der Tat fest, Drahtzieher sind Bin Laden und der islamisch-fundamentalistische Terror. Die nächste Polizeiaktion ist fällig. Polizeiaktion wohlgemerkt, nicht Krieg. Seit Vietnam führen die USA keine Kriege mehr, sie führen mit oder ohne NATO Bestrafungs- und Polizeiaktionen gegen Schurken und Schurkenstaaten durch. Krieg und Polizeiaktionen unterscheiden sich gewaltig voneinander. Im Krieg geht es Mann gegen Mann, Volk gegen Volk, Nation gegen Nation. Selbstverständlich ist der Gegner feige und verlogen und er war es, der alle Friedenbemühungen hintertrieben hat. Aber ein Element der Gleichwertigkeit ist doch gegeben. Auch wenn Athen gegen Sparta Krieg führte, so war es doch ein Kampf Griechen gegen Griechen. Noch im Ersten Weltkrieg war der gefangene feindliche Soldat oft auch nur ein Mensch, der seine Pflicht erfüllte. Im Gegensatz zum Krieg beruht die Polizeiaktion auf der unbedingten moralischen und militärischen Überlegenheit des Guten über das Böse. Zwischen Polizei und Verbrecher kann es keinen Frieden geben, bloß das taktische Aussetzen von Aktionen. Die Grundlage für die Bestrafungsaktion ist auch keine Kriegserklärung, sondern eine Anklageschrift, in der penibel alle Verbrechen aufgelistet werden. Und wenn es im Zuge der Polizeiaktion zu, sagen wir es zurückhaltend, unschönen Szenen und bedauernswerten unschuldigen Opfern kommt, so ist letztlich wiederum nur der Verbrecher schuld. Der Krieg gegen Vietnam war noch ein Krieg, ein grausamer und schmutziger, aber doch ein Krieg. Und seit dem Friedensschluß sind die Beziehungen zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern möglich. Seit den Einsätzen gegen den Irak und gegen Jugoslawien hat sich das Blatt gewendet. Nun geht es darum, das menschliche Ungeziefer auszutreten. Nicht imperiale Machtinteressen bestimmen die militärische Politik der neuen Weltordnung, sondern die Durchsetzung der moralischen Standards der freien Welt.
Diese Strafaktionen sind zwar kostspielig, aber risikolos. Ebensowenig wie der Bestand der Polizei durch eine Razzia gefährdet ist, riskierten amerikanische Soldaten in den Einsätzen ihr Leben. Bei all den militärischen Aktionen waren die Verluste auf Seiten der USA und der NATO fast bedeutungslos. Tausende Tote gab es nur auf der anderen Seite. Nun wurde, aus dem Nichts, der Krieg – und jetzt handelt es sich wieder um einen solchen – in die USA getragen. Bei den Anschlägen sind mehr Menschen umgekommen, als in allen Militäraktionen seit Vietnam. Nachdem jahrelang die Fratze des islamischen Terrors beschworen, und ihr das Gesicht Bin Ladens gegeben wurde, hat dieser unsichtbare Gegner in Mitten der Metropolen zugeschlagen. Der Anschlag führte alle Allmachtsphantasien ad absurdum. Der Größenwahn der US Administration wurde auf traumatische Weise erschüttert. Der ungeheuren narzißtischen Kränkung kann nur mit Trauer, Wut und Rache begegnet werden, Emotionen, die sich unablässig im Kreis drehen und von willfährigen Medien unablässig reproduziert werden. In unserer zu tiefst hierarchischen Gesellschaft kann es nicht das selbe sein, ob der Herr den Knecht, oder der Knecht den Herrn schlägt. Wenn der zivilisiere Welt der unzivilisierten, barbarischen eine Lektion erteilt, so mag das eine oder andere Mittel als überzogen oder unangemessen kritisiert werden. Wer sich jedoch an den Herren der Welt vergreift, der darf auf keine Milde und Verständnis hoffen.


Böse – ohne reale Ursache


Schlussendlich kann der letzte Schritt nur lauten: Kreuzzug! Zurückschlagen mit aller Härte und Systematik, die nur möglich ist. Es bleibt gar keine andere Wahl, weil der Feind aus Fanatikern, ja Irren besteht, deren Fanatismus nur aus sich selbst erklärt werden kann. Das Böse kann keine reale Ursache in der Welt haben, es setzt sich selbst, erklärt sich selbst. Das ist in einer Gesellschaft, die gerecht, wohlgeordnet und vernünftig ist, auch gar nicht anders möglich. Wer an diesem Dogma rührt, kann nur selbst Kommunist, Terrorist und Feind der Freiheit sein. Nach politischen, sozialen, kulturellen oder gesellschaftliche Ursachen und Bedingungen zu fragen, in der jene Geisteshaltungen entstehen können, die letztlich zu den Anschlägen geführt haben, kann nur bedeuten, diese Anschläge erklären und auf reale Ursachen zurückführen zu wollen. Doch die Kämpfer des Kreuzzuges lassen sich nicht täuschen: Hinter der Maske der Reflexion verbirgt sich klammheimliche Zustimmung. Man solle also genau darauf achten, was man öffentlich kund tut. Denn beim bereits ausgerufenen Kreuzzug kann es nur zwei Seiten geben, die Gerechtigkeit und Vernunft auf der einen, der irrationale abscheuliche Terror auf der anderen. Dazwischen ist nichts und kann nichts sein.


Die gesamte zivilisierte Welt ?


Der Quell des Bösen ist bereits benannt, UNO und die USA evakuieren bereits ihr Personal: Afghanistan. Die Öffentlichkeit will schließlich Taten sehen, und sie hat ein gutes Recht darauf. Werden die Taliban Bin Laden ausliefern? Es existiert eine Meldung, nach der sie zu diesem Schritt bereit wären ?falls Beweise vorliegen?. Ein Vorwand um Zeit zu gewinnen? Die USA haben in dieser Region der Welt keine guten Karten. Die iranische Gesellschaft ist zutiefst anti-amerikanisch eingestellt. Indien wird sich ebenfalls nicht dazu hergeben, seine Flughäfen als Operationsbasen für die USA zu öffnen, zumal die USA die besseren Beziehungen zum Erbfeind Pakistan besitzen. Schließlich ist es noch nicht so lange her, seit dem die amerikanischen Berater in Peshawar ein und aus gingen. Nun, die USA werden Mittel und Wege finden, Afghanistan unter diplomatischen, finanziellen und militärischen Druck zu setzen. Aber es ist diesmal keine Angelegenheit, die nur die USA betrifft. Die gesamte zivilisierte Welt ist jetzt aufgerufen, an der Seite der USA in den Krieg zu ziehen. Und wenn sie der Beitrag nur darauf beschränkt, den Einsatz amerikanischer Kampfbomber über Kabul zu bejubeln.

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