POSITIONEN & THEMEN
(27.1.2020)
Anfang November des vorigen Jahres fanden in Spanien Parlamentswahlen statt. 48 Stunden später kündigten die Sprecher der PSOE (Spanische Sozialistische Arbeiterpartei – Sozialdemokraten) und die der Unidas Podemos (UP), Pedro Sánchez und Pablo Iglesias, eine progressive Koalitionsregierung in Spanien an. Mitte Jänner wurde diese nun angelobt.
Gekürzte und leicht geänderte Fassung eines Artikels von www.kommunisten.de
Die politische Blockade, in der sich Spanien seit 2015 befand – vier Parlamentswahlen in vier Jahren – wurde in wenigen Stunden aufgehoben, als die PSOE schließlich die zentrale Forderung von Unidas Podemos (das Wahlbündnis aus Podemos, Izquierda Unida und Cataluña EnComú) akzeptierte, Teil der Regierung zu sein. Eine Forderung, die nach den Wahlen im April des vorigen Jahres nicht akzeptiert worden war und Neuwahlen erfordert hatte. Deren paradoxes Ergebnis (PSOE hat drei Abgeordnetensitze, UP sieben Sitze verloren, die neue rechtsextreme Partei VOX hat 15 Prozent errungen) hat nun zur ersten Koalitionsregierung der spanischen Demokratie und der ersten mit Minister*innen der radikalen Linken seit der Zweiten Republik im Jahr 1936 geführt.
Nach 80 Jahren wieder kommunistische Minister*innen
Alberto Garzón, Bundeskoordinator der Izquierda Unida (Parteienbündnis
Vereinigte Linke, IU) und Aktivist der Kommunistischen Partei Spaniens PCE, wird
in der progressiven Koalitionsregierung das Amt des Ministers für
Verbraucher*innenschutz übernehmen. Die Abgeordnete von Galicia En Común,
Yolanda Díaz (Izquierda Unida und Regionalorganisation der PCE in Galizien)
wird Ministerin für Arbeit und Sozialwirtschaft. Podemos wird mit Irene Montero
die Ministerin für Gleichberechtigung stellen, der marxistische Stadtsoziologie
Manuel Castells wird neuer Minister für Universitäten. Der Podemos-Vorsitzende
Pablo Iglesias wird Vizepräsident und Minister für soziale Rechte und Agenda
2030.
Die Regierung wird insgesamt vier Vizepräsidentschaften haben, drei davon
werden zum ersten Mal in der Geschichte Spaniens von Frauen geleitet: Carmen
Calvo, Nadia Calviño und Teresa Ribera (alle PSOE).
Pedro Sánchez knapp zum Ministerpräsidenten gewählt
Die Koalitionsregierung unter Führung von Pedro Sánchez (Sozialistische Partei PSOE) hatte Anfang Jänner nach einer monatelangen politischen Blockade die erforderliche Mehrheit im Parlament erhalten. Pedro Sánchez, der seit vergangenem Frühjahr nur noch geschäftsführend im Amt war, erhielt 167 Ja-Stimmen gegenüber 165 Nein-Stimmen bei 18 Enthaltungen. Die Enthaltungen kamen von den Abgeordneten der linksrepublikanischen katalanischen ERC (Esquerra Republicana de Catalunya), die so in der zweiten Abstimmung den Weg für Sánchez frei machten. Im Gegenzug mussten die Sozialist*innen aber zugestehen, dass innerhalb von 15 Tagen beide Seiten einen politischen Dialog über die Selbstbestimmung der Region starten. Die spanischen Nationalist*innen werfen Sánchez deshalb nationalen Verrat vor.
Rechte versucht Koalitionsregierung zu torpedieren
Bis zuletzt hat die politische Rechte versucht, die Bildung einer
fortschrittlichen Koalitionsregierung zu torpedieren. Anfang Januar verfügte
die im Geiste und der Tradition Francos agierende spanische Wahlkommission (JEC)
die Absetzung des katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra, weil er sich
vor der Parlamentsneuwahl vom 28. April 2019 geweigert hatte, Symbole der
Solidarität mit inhaftierten Vertreter*innen der Unabhängigkeitsbewegung von
öffentlichen Gebäuden zu entfernen. Gleichzeitig beschloss die Wahlkommission
auch, dass der wegen »Aufruhr« zu 13 Jahren Haft verurteilte
Ex-Vizepräsident der katalanischen Regionalregierung Oriol Junqueras (ERC) sein
Mandat als Europaabgeordneter nicht aufnehmen darf. Damit setzt sich Spanien
über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs hinweg, der Mitte Dezember
entschieden hatte, dass die parlamentarische Immunität von Europaabgeordneten
greife, sobald das Wahlergebnis verkündet sei. Oriol Junqueras war im Mai trotz
seiner damaligen Untersuchungshaft ins Europaparlament gewählt worden, durfte
dann aber nicht das Gefängnis verlassen, um den Eid auf die spanische
Verfassung zu leisten.
Die Hoffnung der spanischen Rechten war, dass diese Provokationen die
Abgeordneten der ERC dazu bewegen könnten, gegen die Ernennung von Pedro
Sánchez zum Ministerpräsidenten zu stimmen.
Chancen und Herausforderungen
Alberto Garzón verwies darauf, dass sich die Koalitionsregierung von Anfang
an darauf verpflichtet habe, für »Frieden, das Zusammenleben und verbesserte
Lebensbedingungen für arbeitende Familien« einzutreten. Im Parlament hat er
die Aufgaben der Koalitionsregierung benannt: die Anhebung des Mindestlohns, die
Aufhebung der neoliberalen Arbeitsreform, ökologische und feministische
Maßnahmen, erschwinglicher Wohnraum, der Kampf gegen Glücksspiele und
Spielhöllen. Garzón räumte ein, dass all dies »nicht einfach sein wird«,
noch weniger, da er sich voll bewusst ist, dass es »eine radikalisierte und
kriegerische Rechte« gibt, die »versuchen wird, die Regierung mit allen ihr
zur Verfügung stehenden Mitteln zu stürzen«, einschließlich der
»gerichtlichen Intervention«.
Jetzt gehe es darum, dass sich die IU den bevorstehenden Herausforderungen
stelle. »Die Herausforderung, die vor uns liegt, ist nicht nur eine
vierjährige Regierung, sondern die Art und Weise, wie wir die Gesellschaft
verstehen, die von multinationalen Unternehmen und reaktionärem Populismus
bedroht ist. Es reicht nicht, in der Regierung zu sein. Wir müssen die
Zivilgesellschaft weiter stärken; ohne ihre Stärke wird es sehr schwierig
sein, unser politisches Projekt voranzubringen. Wir müssen weiterhin die
Institution und die Straße miteinander verbinden«, bekräftigte Alberto
Garzón.
Gekürzte und leicht geänderte Fassung eines Artikels von www.kommunisten.de